Auf dem Weg zum Flughafen

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Atlanta, Nov. 2013

Gerade als ich zu verstehen begann, in Amerika zu sein, war ich schon wieder weg.

Gut fürs Gras?

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Montreal, Nov. 2013

Wer tut dem Gras mehr weh? Menschen, die das Gras betreten oder Menschen, die Wege über das Gras pflastern?

Wahrheit

Es gibt so viele Wahrheiten, wie Betrachter.

Kaffemaschine

Berlin, Nov. 2013

Erfolg drückt sich in Symbolen aus. Es mag Branchen geben, wo man ein großes Auto liebt, oder vielleicht Hubschrauber. In meinem Bereich als Gestalter, als Filmemacher und Künstler sind es Kaffeemaschinen. Die Werbeagentur, in der ich vor fast 20 Jahren nach der Schule ein Praktikum machte, die Agentur und Kunstfoundation in Amsterdam, bei denen ich lange Jahre ein und aus ging: alle verfügten über riesige, chromblitzende Kaffeestationen. Und ich erinnere mich, wie enttäuscht ich war, dass die Produktionsfirma meines letzten und bisher einzigen Filmes lediglich eine einfache Kaffeepadmaschine nebst separatem und umständlichem Milchaufschäumer in der Küche stehen hatte.

Ich schreibe das, weil es mir bis vor wenigen Tagen gar nicht bewusst war. Der Kaffee, den ich bei der Filmproduktionsfirma angeboten bekam, war nur der Hauch einer Enttäuschung, ein flüchtiger Gedanke, der sich in der Aufregung, die an diesem Ort herrschte (es ging um meinen Film!) so rasch verflog, dass ich ihn kaum bemerkte.

Ein Thema verfolgt mich in letzter Zeit. Es ist die Frage: “Was habe ich aus meinem Leben gemacht?”. Ich bin Anfang 40, ich habe an einer Kunsthochschule studiert, ich Reise in der ganzen Welt herum, bekomme Interviewanfragen bis aus Australien, mein Name steht in zahlreichen Büchern. Doch leben kann ich davon nicht. Meinen Unterhalt verdiene ich zum Großteil mit eben jenem Job, den ich schon seit Studentenzeiten mache. Ich habe es nie geschafft, meinen Erfolg finanziell umzusetzen und wie mein Vater es vor Jahren formulierte: “Du musst Dir irgendwann mal Gedanken machen, ob das, was Du machst, Sinn macht. Finanziell und überhaupt.” Nun ist mein Vater Steuerberater mit wenig Sinn für Dinge, die sich nicht in Geld ausdrücken lassen. Doch mein Vater ist eben auch mein Vater und auch, wenn ich mich annähernd zwei Jahrzehnte an Institutionen des Intellekts herumgetrieben habe, das Fundament meiner Selbst steht auf dem, was in einer Kleinstadt, als Sohn eines Steuerberaters, gewachsen ist. Die Wucht seiner Sätze traf mich mit Verzögerung, wie man so oft Nachhaltiges gar nicht unmittelbar bemerkt.

Ich zog mir den Pfeil aus der Brust, die Wunde, die er geschlagen hatte, war nicht groß, doch das Gift wirkte langsam. Zwei oder drei Jahren versuchte ich verkrampft kommerziell erfolgreich zu sein. Ich hatte plötzlich mit Banken, Beratern und Anwälten zu tun und steckte meine Energie in Dinge, in denen meine Talente nicht liegen. Um Geld zu haben, das ich nur brauche, um Dinge zu kaufen die mir erzählen, dass ich auf dem richtigen Weg bin.

„Kaffeemaschine irgenwer?“

Mein Freund Dieter liebt es, kurze Emails zu schreiben. Die Email ging an mich und Undisclosed Recipients.

„Welcher Typ, wie teuer?“ imitierte ich seinen Stil.

Zurück kam ein Link und das Wort „umsonst“.

„Gekauft!“ antwortete ich. Erst dann klickte ich auf den Link.

Der Link führte auf eine Amazon-Seite auf der das Gerät beschrieben war. Es ist eine Agenturkaffeemachine vom feinsten. So ein Ding, wie ich es mir niemals werde leisten können. Das Gerät ist fünf mal mehr wert, als mein Auto, wenn es aufgetankt ist.

Das Symbol des Erfolgs steht jetzt in meinem Atelier. Umsonst.

Im Körper

Berlin, Nov. 2013

Man kann noch so viel begriffen haben, es hilft einem nichts. Wenn man das, was man verstanden hat, nicht spürt, es lebt. Zum Beispiel das “im Augenblick sein”. Jeder halbwegs intellektuelle Mensch hat es verstanden. Die Theorie ist klar: Das Glück erschließt sich, wenn man den Augenblick lebt. Wenn man nicht andauernd über die Vergangenheit grübelt oder sich über die Zukunft Sorgen macht. Wenn man sich zum Beispiel die Wolken am Himmel anschaut. Einen Baum, dem der Wind durch die Blätter fährt. You know what I am talking about. Du, der Du diese Zeilen liest, bist auch so ein Intellektueller. Im Augenblick sein! Jetzt. Hier. Einatmen, ausatmen. Hunger? Durst? Wie riecht die Luft? Aber Du hast es ja längst begriffen. Du kennst den Gedanken. Jetzt mal wirklich: Wie riecht die Luft?

Intellekt ist was schönes. Aber was hilft es, wenn es die Welt nicht fühlen lässt, sondern nur begreifen? Begreifen kann ein erster Schritt sein, aber wenn man das Begriffene nicht erlernt, es nicht so lange übt, bis man es automatisch macht, ist es wertlos. Das Sammeln theoretischer Gedanken unterscheidet sich nicht sehr dem Sammeln von Briefmarken.

Ich habe eine Hexe kennengelernt. Die hat mir gezeigt, dass ich einen Körper habe. Dass ich nicht nur in einem Körper lebe, sondern dass ich ein Körper bin. Ein Körper, der denkt. Nicht ein Denken, das in einem Körper steckt. Die Hexe und ich, wir üben es immer wieder und die Erfahrung ist ein ums andere mal spektakulär: Ich bin ein denkender Körper. Und ein ums andere Mal verschwindet das Fühlen nach einiger Zeit wieder und ich rutsche zurück ins Denken. Ich denke dann wieder und fühle kaum mehr.

Wie fühlen sich meine Fingerspitzen an, wenn sie die Tasten des Computer-Keyboards nach unten schlagen? Und seltsam, wenn ich mir dessen bewusst werde, lenkt es mich nicht von meinen Gedanken ab, im Gegenteil. Es lässt meine Gedanken fließen. Aber ich muss aufpassen, denn meine Gedanken sind bereits dabei, meine Aufmerksamkeit zu übernehmen. Meine Gedanken schmieren meine Leben zu. Wie weiße Farbe über eine Fensterscheibe. Gedanken sind das, was wir aus der Welt machen. Die Welt ist alles, was denkbar ist, doch das, was wir denken, ist das Gefängnis, in dem wir leben.

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