Jeder ein Künstler

Welch saudummer Slogan: “In jedem steckt ein Künstler”. Vielleicht steckt sogar in jedem ein Künstler, aber dann sicherlich nur in dem Maß, in dem in jedem ein Steuerberater steckt, oder ein Fernsehdirektor. Der Rest ist Arbeit. Natürlich kann jeder ein Bild malen. Oder ein Foto machen. Oder Worte zu Parier bringen. Oder ein Lied singen.

Jeder ist ein Künstler?

Und so, wie Eltern die Kritzeleien ihrer Kinder anschauen und Genialität hineinsehen, haben wir und angewöhnt, all den Mist, der ununterbrochen fabriziert wird, fasziniert zu betrachten und die wundervolle Vielfalt zu bewundern. Und es fällt uns gar nicht mehr auf, dass dabei ein schrecklicher Brei herausgekommen ist. Hässlich und uninspiriert, weil nur bunt aber bedeutungslos.

Was macht einen Künstler aus?

Der Künstler braucht die nötigen Ressourcen, sich lange und intensiv mit einem Thema zu beschäftigen und das, ohne am Anfang zu wissen was – und ob – am Ende etwas brauchbares herauskommt. Das hat er mit einem Grundlagenforscher gemeinsam, im Gegensatz zu einem Ingenieur (der ganz und gar zielorientiert arbeitet).

Weil sich die Gesellschaft aber angewöhnt hat, so viele als Künstler zu sehen, sind die Ressourcen, die jedem einzellnen Künstler zu Teil werden, immer kleiner geworden.

Es geht nicht darum, den ‘besten’ Künstler zu finden, um diesem dann die Ressorcen zu geben. Es geht darum, irgendjemanden zu haben, der den Job macht. Der bereit ist, sich in jahrelanger, mühseliger und bisweilen niederschmetternd frustrierender Kleinarbeit mit einem Thema zu beschäftigen, ohne zu wissen, ob die Arbeit irgendwann Sinn machen wird. Jemand muss diese Grundlagenforschung betreiben! Und die künstlerische Grundlagenforschung muss mit den nötigen Ressourchen ausgestattet sein, genauso wie jeder Forscher die nötigen Ressourcen braucht, um vernünftig arbeiten zu können.

Statt dessen zieht sich die Gesellschaft ein Heer von schlecht ausgebildeten, schlecht ausgestatteten, hochabitionierten Kleinkünstlern heran, die alle nur wild durcheinanderplappern. Es ist ein furchtbarer Krach.

Modernes Leben

Über den studentischen Emailverteiler der Universität der Künste, Berlin werden immer wieder Ateliers, WGs oder Wohnungen angeboten oder gesucht. Ich lese die Beschreibung einer WG mit angeschlossenem Atelier. Fünf Menschen leben und arbeiten zusammen in einer alten Fabriketage. Ein Zimmer ist frei. 400 Euro inkl. DSL und Nebenkosten. Das Zimmer hat 16 qm, plus Gemeinschaftsküche und Gemeinschaftsatelier. Wohnen und arbeiten für Architekten und Designer. Es ist ein Bild abgehängt. Zu sehen: ein karger Raum mit Tischen auf denen silberne Laptops stehen.

Sweatshop denke ich.

Die Singer-Nähmaschine von gestern ist das Macbook Air von heute.

Fuck the Story

In spring 2013 I went to Austin for the SXSW-conference. On my first day there, I went by random into one of the many talks. A young guy, who was introduced as a brilliant thinker and maybe the next Steve Jobs went on stage. He told a well crafted story, about the problems of the world and how they can be fixed – a great talk.

He had thought carefully about his story, it was a very convincing story. But – and it took me quite a while to realize – what he said, was pretty banal. It felt new and exciting, but it was not.

A great story, almost no content. And I am sure the guy had spent much more time thinking about his story than thinking about what he wanted to say – these are two different things. But so often people take the story for the content and vice versa. The authors as well, as the audience.

A story is a construction, and if we build this construction in a way, that it lets us see things, that we could not see without the construction: it is a good thing! If the construction functions as a tower that lets us look into the distance: Great!

And sometimes stories do exactly that. They let us see things.

But most often the story is a construction, that is in between us and the thing we are interested in. Like a wall. So we look at the wall, not at the thing, that is behind it. The author puts a wall between the audience and the reality behind the wall.

So the audience watches the wall, and they even might enjoy it. Because it might be a pretty pretty wall. But is that really, what we want?

I rewired my brain using Korsakow over the last 13 years, and I have to say: I don’t enjoy it any more to watch the wall. I enjoy complexity (at least to a certain point), I enjoy that an informed author shows me around, but does not tell me what to think.

Korsakow is a tool that allows authors to create open narratives. Flexible films. The author does not pre-think the paths. The author of a Korsakow-film is like a guide that shows you his favorite places, but he does not tell you what to think.

But I often get the criticism: people say: “This is boring”. These people say, that the audience wants to get a story told and that the audience does not want to do the work of the author. And I agree to a certain point. It is not about the audience doing the work of the author. There still needs to be a strong author that works – hard – do create meaningful viewpoints; a strong author that voices his opinion, a strong author that simplifies reality to a point that it can be understood without spending too much time.

But I have to say: I get terribly frustrated if authors oversimplify. And it seems to me, that this is what authors usually do for the sake of the story. The story needs it simpler, than the audience. And I can see this everywhere: In documentary films, in journalism, in politics. People get more and more frustrated with that. Just like me, who rewired his brain with Korsakow. Other people are currently re-wireing their brains with the internet.

It is the beauty of computer-based storytelling, that you have more freedom. More freedom as an author, more freedom as the viewer. Open and flexible stories can be done in a way it can not be done in a film. And it can be done better, on a computer than in any other medium.

I totally dislike, when the author pre-thinks the story. When the author seduces the audience to think, what he or she wants them to think. By using cheap tricks. The cheap tricks of storytelling, perfected in linear film.

Most of the time, I am audience as well. And when I sense, how I get seduced by an author, and I notice that, when I recognize the tools of drama, when the story is _too_ good: I get an allergic reaction and:

I do not believe the story – I just don’t buy it.

When I make a korsakow-film ( the last one is geld.gr – Money and the Greek, a Korsakow-film about the financial crisis in Greece ) I don’t want to convince anyone of anything. I want to discuss ideas. In this case the ideas that I found on my travels in Greece and talking with people.

The goal of a good Korsakow-film is not to come up with answers. Good Korsakow-films generate questions. And I think we don’t have to focus any more on the answers answers. There is a paradime shift. For a few years now, we live in the time of answers. Every smartphone is the gate to the answers. This is a new thing. I remember very well how difficult it was to get the them.

Now that we have the answers it is time to find the right questions.

Stories give answers.

Good nonlinear narratives create relevant questions.

This is, what I am looking for.

Das Geschenk oder der Versuch, die Vergangenheit zu ändern

Bayern, 24. Dezember 2012

Als ich sieben oder acht Jahre alt war, mussten wir in der Schule im Werkunterricht eine Laubsägearbeit anfertigen. Wir sollten ein Schlüsselbrett basteln. Nach einer Vorlage mussten wir die Form eines Schlüssels aussägen, an vorgegebenen Stellen wurden Löcher gebohrt, in die wir dann vorbereitete Holzstifte einklebten, an denen man später die Schlüssel aufhängen konnte. Anschließend sollten wir das Ding bemalen.

Ich hatte keinen Spass an der Sache. Die Form des Schlüssels hat mir nicht gefallen, weil der Schlüssel nicht so aussah, wie die Schlüssel, die ich kannte und ich hatte keine Freude daran, ein Schlüsselbrett herzustellen, das genau so aussah, wie das der anderen Kinder.

Beim anmalen ging irgendetwas schief, ich erinnere mich, wie ich mit meinem Schlüsselbrett am Tisch der Lehrerin stand. Sie nahm mir das Brett aus der Hand, übermalte, was ich schon gemalt hatte, mit brauner Farbe und pinselte mit schnellen Bewegungen grüne und orangene Halbkreise darauf. Dann gab sie mir das Schlüssebrett zurück und ich lieferte es zu Hause ab.

Dort wurde es neben der Wohnungstür aufgehängt und die Geschichte war 30 Jahre lang vergessen.

Meine Frau, die die Kunst versteht, auf Kleinigkeiten zu achten, brachte sie wieder an die Oberfläche. Wir waren für ein paar Tage zu Besuch bei meinen Eltern und als wir zwischendurch das Haus verließen, starrte ich jedesmal für ein paar Sekunden ins Leere, wenn ich meinen Schlüssel von eben jenem Brett nahm. Sie fragte sie mich, was los sei. Und so kam die Erinnerung an eine der größten Niedelgagen meines künstlerischen Lebens wieder aus den Tiefen der Sprachlosigkeit an die Oberfläche.

Ich habe die Geschichte meiner Familie an Weihnachten erzählt und ein Jahr später ein neues Schlüsselbrett mitgebracht. Zu meiner Überraschung kam es zu hitzigen Diskussionen, als ich am Weihnachtsabend das alte Schlüsselbrett abmontierte. Mein Vater erklärte, dass er es mochte und zumindest in der Garage für sein Werkzeug benutzen wolle. Ich wollte es verbrennen. Mein Bruder nannte mich hysterisch und sagte, dass ich ein seltsames Verhältnis zu Eigentum hätte, schliesslich hatte ich das Brett ja irgendwann mal meine Eltern geschenkt. Schließlich gab ich meinem Vater das Schlüsselbrett mit den Worten:
“Es ist Deines, Du kannst damit machen, was Du willst, aber Du musst wissen, dass es mich sehr verletzt, wenn Du es weiter benutzt.”

Er antwortete umgehen: “Prima, dann hänge ich es in der Garage auf.”

Geschichten

Ich bin Geschichten gegenüber mißtrauisch. Sie gaukeln uns das Leben vor, aber sie folgen ihren eigenen Regeln.

Regeln, die mit dem Leben nichts zu tun haben.

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