Vertrauen und Bescheidenheit

Ich habe Freunde, die sagen, dass die Entscheidung der Politiker, die ganze Wirtschaft lahmzulegen, verrückt sei. Dass Politiker diese Entscheidungen nur treffen würden, weil sie selbst nicht die Kosten des wirtschaftlichen Niedergangs tragen müssten. Die Rechnung würden andere zahlen. Die Politiker hingegen würden nur Aktionismus unter Beweis stellen, um bei den Wählern gut anzukommen.

Könnte theoretisch sein. Ist praktisch aber total unwahrscheinlich.

Erstens geht diese Überlegung davon aus, dass die gegenwärtigen Entscheidungen der Politiker in der Corona-Krise risikolos seien, im Hinblick auf die Wirkung, die sie beim Wähler haben. Man kann sich ja mal ausmalen, was passiert, wenn die Notlage ausbleibt – und das, sogar dann, wenn die Maßnahmen der Politiker ursächlich bewirken würden, dass es erst gar nicht zur Notlage kommt:

Wie stünde Merkel dann da, mit ihrer ersten direkten Fernsehansprache ans Volk jenseits der Neujahrsansprache, wenn dann am Ende des Jahres nur 2.000 Senioren verstorben sind, die ohnehin gestorben wären, vielleicht an einem Schnupfen? – Erste Frau als Bundeskanzlerin, 15 Jahre? Merkel riskiert viel: Sie könnte am Ende ihrer Karriere als Kanzlerin in die Geschichte eingehen, die die Wirtschaftsmacht Deutschland an die Wand gefahren hat, wegen eines Schnupfens.

Zweitens geht dieses Argument davon aus, dass man zum jetzigen Zeitpunkt schon gut genug einschätzen kann, wie hoch oder gering die Gefahr ist. Dass man ausserdem das Risiko verantworten kann, dass man sich vertut. Doch derzeit ist die Informationslage widersprüchlich, unklar und verwirrend. Das Risiko hingegen ist gewaltig und selbst Worst-Case-Szenarien sind viel zu wenig unwahrscheinlich.

In Anbetracht der Größe des Risikos, das vom Corona-Virus ausgeht, muss man entweder über sehr viel Wissen verfügen oder entsprechend größenwahnsinnig sein, um sich seiner Meinung sicher sein zu können.

Ich möchte mir nicht anmaßen, die Gefahr einzuschätzen, daher verhalte ich mich entsprechend der Empfehlungen derer, die sehr wahrscheinlich über bessere Informationen verfügen und von schlaueren Leute beraten werden, als ich. Ich mache es so wie sie sagen. Obwohl und weil es Politiker sind. Ich vertraue Politikern, nicht weil sie unfehlbar wären, sondern weil sie wahrscheinlich weniger Fehler machen als ich.