Jugend nervt

Die Jugend von heute ist ein Qual. Sie ist so verdammt unkreativ. Als ich jung war, konnte ich es nicht ertragen, Musik aus vergangenen Jahrzehnten zu hören. Sie war so abgeschmackt, so schal. Heute gibt es nur noch Musik aus vergangenen Jahrzehnten, und die immerwährende Wiederholung des ewig gleichen lässt mir selbst die Musik, die mir früher so viel bedeutete, belanglos erscheinen.

Ich hatte immer damit gerechnet, dass mich, wenn ich nicht mehr jung bin, die Jugend aufregen würde. So wie ich – und weil ich mit alten Eltern gesegnet bin, wahrscheinlich als einer der Letzten – die vorangegangene Generation aufgeregt habe. Nichts dergleichen. Die Jugend von heute nervt nur. Sie nervt, weil sie so langweilig ist. Sie nervt, weil sie nichts neues erfindet und uns ersaufen lässt in dem Mist von früher.

Eitelkeit

Thessaloniki, 31. Mai 2012

Viel zu lange war ich eitel. Ich war unsicher und es war mir wichtig, wie andere mich sehen. Ich habe Freunde um mich versammelt, die meine Eitelkeiten pflegten. Leute, die mir sagten, was meine Eitelkeit hören wollte. Doch diese Freunde waren selbst eitel und im Austausch musste ich ihnen geben, was ihre Eitelkeit hören wollte.

Wir waren wie voneinander abhängig.

Doch dann wurde ich der Eitelkeit überdrüssig. Ich bemerkte die Energie, die es kostet, die Eitelkeit zu pflegen und wie es mich abhielt, mutig zu sein. Zu sagen, was man denkt, zu tuen, was man fühlt. Denn was könnten die anderen denken? Wer eitel ist, hat in Wirklichkeit Angst, von den anderen als das gesehen zu werden, was man selbst befürchtet zu sein: Nichts. Staub der Geschichte. Unbedeutend. Nicht der Rede wert.

Dann habe ich erkannt, dass ich genau das bin: Nichts, unbedeutend, nicht der Rede wert. Und plötzlich konnte ich sagen, was ich denke, tuen was ich fühle. Und es war ganz einfach und es wurde immer einfacher, denn ich musste nicht mehr darauf achten, was die Anderen denken, wie die Anderen mich sehen.

Eine Zeit lang habe ich noch die Eitelkeit meiner Freunde gefüttert. Bis ich spürte, wie viel Energie mir das nahm. Statt für meine Gedanken habe ich für ihre Gedanken gearbeitet. Eitle Gedanken, hohle Gedanken die zu nichts anderem gut waren, als Eitelkeit zu befördern.

Es tut weh, mit Freunden zu brechen. Und es macht Angst. Denn jenseits der Eitelkeit ist da auch die Sorge, alleine zu sein. Der Bruch kam abrupt. Denn die Freunde bekamen schon eine Weile nicht mehr das, was sie brauchten. Und so verlor ich viele Freunde auf einmal.

Und das war gut. Ich verlor nicht alle Freunde. Ein paar wenige blieben. Es blieben die, die nicht aus Eitelkeit mit mir befreundet waren. Und ich lernte, dass ich gar keine eitlen Freunde will. Eitle Freunde sind Zeit- und Energieverschwendung. Was man von eitlen Freunden bekommt glitzert, doch es ist schal und in Wahrheit nichts wert. Nichts, was man will und nichts, wofür man Energie aufwenden sollte.

Und ich habe gelernt. Lieber als eitle Freunde habe ich gar keine Freunde. Lieber als eitel zu sein bin ich nichts, unbedeutend, nicht der Rede wert.

Über das Lachen

Berlin, 18. April 2013

Die Leute lachen. Wenn sie etwas zuerst nicht verstehen. Und dann doch. Aber anders, als sie es zuerst verstanden haben. Wenn die vermutete Realität nicht passt und dann von der neuen Realität überlagert wird. Wenn die neue Realität “einklickt”. Das ist der Moment.

Leute lachen, wenn andere Leute da sind. Zumindest lachen sie dann leichter. Vielleicht statt zu sagen: “Oh, ich bin jetzt wieder in der Realität angekommen – ich war einen Moment abgelenkt.” Lachen als Entschuldigung.

Manchmal ist es ein Wettrennen. Wer als erster lacht, ist als erster angekommen. Und damit die anderen davon mitbekommen, macht der Sieger mit dem Lachen auf sich aufmerksam. Und die anderen lachen dann auch. Oder auch nicht. Wenn nicht, dann hat sich der vorschnelle Lacher blamiert. Oder gezeigt, dass er verrückt ist. Verrückt gegenüber der Realität. Dann ist der vorschnelle Lacher kein Sieger, sondern ein Spinner.

Was Realität ist, bestimmen die anderen.

Jeder ein Künstler

Welch saudummer Slogan: “In jedem steckt ein Künstler”. Vielleicht steckt sogar in jedem ein Künstler, aber dann sicherlich nur in dem Maß, in dem in jedem ein Steuerberater steckt, oder ein Fernsehdirektor. Der Rest ist Arbeit. Natürlich kann jeder ein Bild malen. Oder ein Foto machen. Oder Worte zu Parier bringen. Oder ein Lied singen.

Jeder ist ein Künstler?

Und so, wie Eltern die Kritzeleien ihrer Kinder anschauen und Genialität hineinsehen, haben wir und angewöhnt, all den Mist, der ununterbrochen fabriziert wird, fasziniert zu betrachten und die wundervolle Vielfalt zu bewundern. Und es fällt uns gar nicht mehr auf, dass dabei ein schrecklicher Brei herausgekommen ist. Hässlich und uninspiriert, weil nur bunt aber bedeutungslos.

Was macht einen Künstler aus?

Der Künstler braucht die nötigen Ressourcen, sich lange und intensiv mit einem Thema zu beschäftigen und das, ohne am Anfang zu wissen was – und ob – am Ende etwas brauchbares herauskommt. Das hat er mit einem Grundlagenforscher gemeinsam, im Gegensatz zu einem Ingenieur (der ganz und gar zielorientiert arbeitet).

Weil sich die Gesellschaft aber angewöhnt hat, so viele als Künstler zu sehen, sind die Ressourcen, die jedem einzellnen Künstler zu Teil werden, immer kleiner geworden.

Es geht nicht darum, den ‘besten’ Künstler zu finden, um diesem dann die Ressorcen zu geben. Es geht darum, irgendjemanden zu haben, der den Job macht. Der bereit ist, sich in jahrelanger, mühseliger und bisweilen niederschmetternd frustrierender Kleinarbeit mit einem Thema zu beschäftigen, ohne zu wissen, ob die Arbeit irgendwann Sinn machen wird. Jemand muss diese Grundlagenforschung betreiben! Und die künstlerische Grundlagenforschung muss mit den nötigen Ressourchen ausgestattet sein, genauso wie jeder Forscher die nötigen Ressourcen braucht, um vernünftig arbeiten zu können.

Statt dessen zieht sich die Gesellschaft ein Heer von schlecht ausgebildeten, schlecht ausgestatteten, hochabitionierten Kleinkünstlern heran, die alle nur wild durcheinanderplappern. Es ist ein furchtbarer Krach.

Vergangenheit

Herr Koch ist 80 Jahre alt, er liegt mit mir im selben Zimmer im Benjamin Franklin-Krankenhaus in Berlin. Nachdem wir zwei Tage kaum ein Wort gewechselt haben beginnt er plötzlich zu erzählen. Er erinnere sich an die Russen, wie sie  kamen und die Frauen vergewaltigten. Sie alle waren in einem Keller, er beschreibt einen Mann, der mit einem Maschinengewehr herumfuchtelte. Sie alle mussten zusehen, den Soldaten war das egal. Er habe ein Freundin gehabt, die sei 12 Jahre alt gewesen, die habe die Tortur durch die Soldaten nicht überlebt. Seine Mutter sei auch vor seinen Augen vergewaltigt worden. Er war damals 14 Jahre und habe nichts tun können. Wer so etwas erlebt, sagt Herr Koch, da entwickelt man so einen Hass. Wenn es gegen die Russen gegangen wäre, er hätte sich als erster gemeldet. Mittlerweile, sagt Herr Koch, sei er darüber hinweg. Er hege keinen Groll mehr.

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