Uber-Logik

Berlin Kreuzberg. Es ist ein sonniger Sonntagnachmittag und ich fahre gerade mit meinem Fahrrad an einem dieser neuen, schicken, coolen Cafés vorbei, als ich auf jemanden aufmerksam werde, der ebenfalls auf einem Fahrrad unterwegs ist. Ein junger Mann mit Vollbart, wie sie derzeit in Mode sind. Er fährt auf einem leuchtend rot-orangenem Miet-Elektrofahrrad der Marke Jump. Jump ist eigentlich Uber. Und Uber ist eine der Firmen, die derzeit das Taxigewerbe weltweit umkrempeln. Der Mann mit dem Vollbart biegt gerade in eine Seitenstrasse mit Kopfsteinpflaster ein. Er ruft laut “Uh, Oh!” und ich sehe, dass das Hinterrad seines Fahrrads platt ist.

Ich wundere mich, zuerst ein wenig und als ich so weiter radle immer mehr, ob denn dem jungen Mann klar sei, dass es gar nicht gut für das Fahrrad ist, wenn man mit plattem Hinterrad über Kopfsteinpflaster fährt. Mit einem normalen Fahrrad käme er vermutlich kaum mehr weiter, doch mit Elektroantrieb geht es offensichtlich, auch wenn es unangenehm zu sein scheint. Das Fahrrad ist ein teueres Fahrrad und das Hinterrad ist nach der Tortur sicherlich schwer beschädigt. Nur ein Idiot würde das seinem eigenen Fahrrad antun, aber es ist ja ein Mietfahrrad. Während ich noch darüber nachdenke, ob es den jungen Mann davon freispricht, ein Idiot zu sein, wenn er ein Mietfahrrad zerstört, kreuzen sich unsere Wege erneut. Der junge Mann fuhr auf einer anderen Strecke in die selbe Richtung.

Ich spreche ihn an und frage als erstes, ob ihm bewusst sei, dass das Fahrrad leiden würde. Der junge Mann ist sich sehr wohl darüber bewusst – das hätten ‘die’ ja eingepreist, ist seine erste Antwort; und wie um zu beweisen, dass er zu noch komplexeren Gedanken fähig ist, fragt er zurück, ob ich denn wisse, was Uber für eine Firma wäre, die Antwort gibt er selbst: eine Ausbeuterfirma! Und überhaupt fände er es nicht OK, dass ich ihm hier so moralisch komme.

Ich hege weder Sympathien noch Antipathien gegenüber der Firma Uber und sage das auch zu meiner Verteidigung. Ich bin nur immer wieder verblüfft von der Logik mir der Menschen denken. Und wennn sich die Chance bietet, frage ich manchmal nach.

Das würde ihm jetzt zu anstrengend und ob ich bitte weiterfahren könne und ihn in Ruhe lassen.

Das kann ich versehen, nicht nachfühlen aber verstehen, dass es anstrengend ist, wenn das eigene Denken auf die Probe gestellt wird. Da tun sich sogar gut ausgebildete und gut gekämmte junge Menschen schwer, die ohne grosse Sorgen in den angenehmsten Gegenden der Welt wohnen. Das stelle ich mit meinen Fragen immer wieder fest.

How to change your mind

Television alters thinking. Religion alters thinking. Books alter thinking. Music alters thinking. Images change thinking. Conversations alter thinking. Meditation alters thinking. Observations alter thinking. Closing one’s eyes alters thinking. Taking in food alters thinking. Fasting alters thinking. Feeling alters thinking.

Everything alters thinking. Thinking is based on the exchange of electrical signals between nerve cells. Nerve cells that are connected via synapses. Nerve cells, which arise and disappear, connected by synapses, which also arise and disappear.

The nerve cells connected by synapses are like the molecules on the water surface of a lake, stable enough that a water strider can walk on them. But there are never ‘the very same’ molecules on the water surface. The molecules are in constant exchange with the surrounding water molecules in the lake. It is a constant dance of the molecules, in which always others come to the surface to be immediately replaced by others. As if one were standing on a gravel path and the stones under one’s feet are permanently exchanged.

The synapse connections between the nerve cells in the brain are the paths of thinking. The paths on which the thoughts walk. But the paths are in constant change. Paths are being trodden or are drifting. They never remain exactly the same.

(( More spectacular, although much rarer, is the idea or realization – the discovery of a completely new path, a completely new connection. The younger one is, the more frequently it occurs, logically, because there is not yet such a pronounced road network of thoughts. This occurs with everyone over time. ))

People tend to ask, “Is that good or bad?”
Is it good or bad when the ways of thinking change?
The answer is the same as to most ‘good or bad’ questions: It is not good or bad: it is.

Being aware that everything changes your thinking, that everything you absorb consciously or unconsciously changes you, enables you to influence what you absorb, what changes you. Becoming more conscious at the same time gives others less possibility to manipulate you as they would like you to.

Of course one cannot choose everything that comes into one’s head – into thinking. But you can influence it. The first steps are to remember again and again that everything you take in influences your thinking and thus your perception of the world.

A very smart friend once said to me: “I have always read an incredible amount, probably thousands of books in my life. That was everything, literature, non-fiction, but also crime thrillers, trivial and any kind of junk. But it’s strange, I used everything, even the greatest nonsense, at some point to get my insights.”

“Sure,” I said, “because all you put in your head is the material you think with. What other material should you think with?”

But not all material is equally good.

And unlike earlier times, when people couldn’t get enough information, today we live in a time when we are confronted with an overwhelming mass of information.

There is better information and worse information.

We can improve our thinking by learning to be more aware of what we let into ourselves.

 

Wie man das Denken verändert

Fernsehen verändert das Denken. Religion verändert das Denken. Bücher verändern das Denken. Musik verändert das Denken. Bilder verändern das Denken. Gespräche verändern das Denken. Meditation verändert das Denken. Beobachtungen verändern das Denken. Die Augen schließen verändert das Denken. Nahrung aufnehmen verändert das Denken. Fasten verändert das Denken. Fühlen verändert das Denken.

Alles verändert das Denken. Denken basiert auf dem Austausch elektrischer Signale zwischen Nervenzellen. Nervenzellen, die über Synapsen verbunden sind. Nervenzellen, die entstehen und vergehen, verbunden durch Synapsenverbindungen, die ebenfalls entstehen und vergehen.

Die durch Synapsen verbundenen Nervenzellen sind wie die Moleküle an der Wasseroberfläche eines Sees, stabil genug, dass ein Wasserläufer darauf laufen kann. Doch es sind nie ‘die selben’ Moleküle, die sich an der Wasseroberfläche befinden. Die Moleküle sind im ständigem Austausch mit den umgebenden Wassermolekülen im See. Es ist ein ständiger Tanz der Moleküle, bei dem immer wieder andere an die Oberfläche kommen um umgehend wieder von anderen abgelöst zu werden. So als würde man auf einem Schotterweg stehen und sich die Steine unter den Füßen permanent austauschen.

Die Synapsenverbindungen zwischen den Nervenzellen im Hirn sind die Wege des Denkens. Die Wege, auf denen die Gedanken laufen. Doch die Wege sind in ständigem Wandel. Pfade werden ausgetreten oder driften. Sie bleiben hingegen nie exakt gleich.

(( Spektakulärer, wenn auch viel seltener, ist die Idee oder Erkenntnis – die Entdeckung eines völlig neuen Wegs, einer völlig neue Verbindungen. Je jünger man ist, desto häufiger kommt sie vor, logischer Weise, denn es gibt noch kein so ausgeprägtes Straßennetz der Gedanken. Das entsteht bei jedem über die Zeit. ))

Der Mensch neigt zu fragen – “Ist das nun gut oder schlecht?”
Ist es gut oder schlecht, wenn sich die Wege des Denkens verändern?
Die Antwort darauf ist die selbe wie auf die meisten ‘gut oder schlecht’ – Fragen: Es ist nicht gut oder schlecht: Es ist.

Sich darüber bewusst zu sein, dass alles das Denken verändert, dass einen alles, was man bewusst oder unbewusst in sich aufnimmt, verändert, gibt einem die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, auf das, was was in sich aufnimmt, auf das, was einen verändert. Sich mehr bewusst zu werden gibt gleichzeitig anderen weniger Möglichkeit einen so zu manipulieren, wie sie es gerne hätten.

Natürlich kann man sich nicht alles aussuchen, was einem in den Kopf – ins Denken – kommt. Doch man kann Einfluss darauf nehmen. Die ersten Schritte sind, sich immer wieder daran zu erinnern, dass alles, was man aufnimmt, das Denken und damit die Wahrnehmung, die wir von der Welt haben, beeinflußt.

Ein kluger Freund sagte einmal zu mir: “Ich habe immer unglaublich viel gelesen, wohl tausende Bücher in meinem Leben. Das war alles mögliche, Literatur, Sachbücher aber auch Krimis, triviales und irgendwelcher Schrott. Doch es ist seltsam, ich habe alles, auch den größten Blödsinn, irgendwann einmal gebraucht, um auf meine Erkenntnisse zu kommen.”

“Klar,” habe ich gesagt, “denn alles, was Du in deinen Kopf tust, ist das Material mit dem du denkst. Mit welchem Material solltest du sonst denken?”

Doch nicht alles Material ist gleich gut.

Und anders als zu früheren Zeiten, in denen der Mensch gar nicht genug an Informationen bekommen konnte, leben wir heute in einer Zeit, in der wir mit einem überwältigenden Masse an Information konfrontiert sind.

Es gibt bessere Information und schlechtere.

Wir können unser Denken verbessern, indem wir uns angewöhnen aufmerksamer zu sein mit dem, was wir in uns hinein lassen.

autopilot

I have been using an autonomous system for quite some time. I get on my motorcycle, go whereever I want to go and focus on what is currely on my mind. These are mostly complicated things that take all my attention.

Especially when I’m driving a route I’ve driven before. Only when I drive a new route, every now and then the autopilot calls for attention to ask if it should turn right or left. The autopilot does the rest. Including occasional arguments with other motorists when I’m in Berlin.

Meanwhile my brain is busy with something else. Podcasts from the New York Times for example, the Washington Post or Sam Harris.

Riding the motorcycle is done by the autopilot.


Excerpt from “Codonaut – Where do we program ourselves?”, a Korsakow film about artificial intelligence. Go to codonaut.de to see the film.

Autopilot

Ein selbstfahrendes System habe ich schon lange. Ich steige auf mein Motorrad, fahre irgendwohin und denke über das nach, womit ich mich gerade beschäftige. Das sind meist komplizierte Dinge, die all meine Aufmerksamkeit in Beschlag nehmen.

Vor allem, wenn ich eine Strecke fahre, die ich schon oft gefahren bin. Nur wenn ich eine neue Strecke fahre, klingelt ab und an der Autopilot beim Bewusstsein an, um zu fragen, ob er jetzt rechts oder links abbiegen soll. Den Rest erledigt der Autopilot. Inklusive gelegentlichen Streitereien mit anderen Verkehrsteilnehmern, wenn ich in Berlin unterwegs bin.

Mein Hirn beschäftigt sich derweil mit irgendetwas anderem. Podcasts der New York Times zum Beispiel, der Washington Post oder von Sam Harris.

Motorradfahren tut der Autopilot.


Auszug aus “Codonaut – Wohin programmieren wir uns?”, einem Korsakow-Film über Künstliche Intelligenz. Der Film ist hier zu sehen: codonaut.de

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