Angst

Die Leute haben Angst. Sie ziehen die Rollläden herunter, wenn es dunkel wird und schalten den Fernseher ein. Sie schauen Nachrichten, sie schauen Filme, sie schauen Talkshows, sie schauen Werbung. Überall wird ihnen Angst gemacht. Die Leute haben Angst. Angst vor Verbrechen, Angst um ihre Gesundheit, Angst vor den Auswirkungen der Technik, Angst, etwas zu verpassen, Angst vor dem, was sie nicht verstehen.

Überall wird den Leuten irgend etwas erklärt und wenn die Leute denken, dass sie etwas verstanden haben dann erklärt ihnen jemand, das es doch ganz anders ist.

Wir leben in komplizierten Zeiten. Widersprüchliche Informationen kommen von allen Seiten und jede Information macht sich wichtig, jede Information verlangt Aufmerksamkeit und droht mit Konsequenzen wenn nicht beachtet.

Wer soll sich da noch auskennen?

Wer soll da noch Vertrauen haben? Angst ist kein guter Nährboden für Vertrauen.

Die Leute haben schreckliche Angst und sie wissen nicht wovor. Sie leiden. Sie beklagen sich und schimpfen über ihr Unglück. Leute gehen auf die Strasse und fordern, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Sie sind wütend und fühlen sich machtlos und ohnmächtig.

Man könnte den Leuten sagen, dass ihre Angst unbegründet ist. Es gibt immer weniger Verbrechen, die Menschen werden immer gesünder und wenn doch etwas passiert werden sie medizinisch so gut versorg, wie noch nie. Die Politiker unserer Zeit sind wahrscheinlich die verantwortungsvollsten, die es je gab und Technik bringt viel mehr Vor- als Nachteile.

Aber das wollen die Leute nicht hören. Sie richten ihre Aufmerksamkeit auf das, was bedrohlich sein könnte, wenn sie Fernsehen schauen oder im Internet Informationen auswählen. So als könnten sie nicht anders. So als hätten sie Angst, eine Gefahr zu verpassen.

TV is Easy

Es ist schon ein paar Jahre her, da habe ich zusammen mit einem Freund auf einem Festival in Barcelona ein Fernseh-show-format ‚ge-pitched‘. Das heißt wir durften unsere Idee Fernsehproduzenten aus ganz Europa präsentiert. Die Veranstaltung war wie ein Wettbewerb aufgebaut mit Bühne, Publikum und allem. Unsere Idee war eine von vieren. Ich glaube, wir wurden letzter. Anschließend kamen ein paar Leute aus dem Publikum auf uns zu und sagten, dass das Projekt das beste gewesen sei …(*)

Ich muss sagen, ich habe lange nicht verstanden, warum unsere Idee nicht angenommen wurde, ich glaube es hätte wirklich das Potential gehabt, mittels Fernsehen (und Internet) die Welt weiterzubringen.

Eine Fernsehproduzentin mit der ich ein paar Monate später einen Abend lang auf einem anderen Festival rumhing hat es mir dann erklärt:

Egal welche Show im Fernsehen produziert wird, sie hat immer ein Element, wie ein Gewürz, das in keinem Gericht fehlen darf, ein Gewürz nach dem jeder TV-Show schmeckt. Alles ohne dieses Element haben keine Chance. Man habe in der Zuschauerforschung zweifelsfrei herausgefunden, dass keine Show Erfolg haben kann, die dieses Element nicht hat. So schön Euer Projekt auch ist, es fehlt ihm dieses Element.

Was dieses Element ist? Ich glaube es ist wichtig, dass man sich jedes Mal, wenn man eine Show im TV sieht, oder ein Gespräch über eine TV-Show hört, oder über eine Fernseh-Sendung liest, folgendes aufsagt:

Ein Zuschauer vor dem Fernsehen soll sich immer besser fühlen als die, die im Studio vorgeführt werden.

Ich glaube das sollte man wissen, denn es erklärt vieles. Nicht nur im Fernsehen.

 

 

(*) seiner Zeit weit voraus. Das höre ich seit zwanzig Jahren in regelmäßigen Abständen. Vermutlich ist daran was dran, aber wenn dem so ist, dann kann ich aus meiner Erfahrung sagen, wer der Zeit zu weit voraus ist ändert gar nichts. 😉

Sinn und Unsinn

Sky over Gülitz

Probleme, die einfach zu lösen sind, sind bereits vor langer Zeit gelöst worden. Sie sind ausgestorben. Überlebt haben nur Probleme, deren Lösung eben nicht einfach ist und das ist auch logisch, denn sonst wären sie ja schon bereits vor langer Zeit von irgendeinem freundlichen Affen ein für alle mal aus der Welt geschafft worden. Die Welt ohne einfach zu lösende Probleme, das ist also die Welt in der wir leben.

Wir sind also immer noch von Problemen umgeben, aber eben Probleme, deren Lösung nicht einfach ist. Das macht unsere Welt einerseits wahnsinnig bequem, weil ganz viele blöde Probleme bereits gelöst sind und andererseits sehr interessant, weil wir nun unsere gesamte Aufmerksamkeit kniffligen, herausfordernde Fragen widmen können. Probleme, die sich mit einem Hirn alleine nicht lösen lassen. Interessante Probleme, spannende Probleme, das ist unsere Welt.

Ab und an begegnet man dann einem Affen der mit lauter Stimme von sich gibt, es sei alles ganz einfach. Danach erklärt er irgendwas. Dabei brächte man sich eignentlich nicht mal die Mühe machen, zu verstehen was dieser Affe da  meint. Denn es ist wahnsinnig unwahrscheinlich, dass es in unserer Welt noch Probleme gibt, bei denen  alles ganz einfach ist. Ganz einfache Probleme, wie gesagt, sind fast ausnahmslos ausgestorben.

Und der Affe, der so laut brüllt, gehört in die Zeit, in der die Affen laut brüllten. So einfach ist das. Aber so einfach ist es natürlich doch nicht. Denn laut brüllende Affen ziehen gerne die Aufmerksamkeit der anderen Affen auf sich, die sich mit dem jeweiligen Problem noch so gut wie gar nicht beschäftigt haben und deshalb das, was der laute Affe brüllt, gerne glauben wollen: „Ach so, es ist ja alles ganz einfach.“

Affen, die Ahnung haben, sprechen nicht nur leiser, sie sprechen auch komplizierter. Sie sagen Sachen wie: “Einerseits und andererseits” und “man muss abwägen zwischen” und es ist “mehr oder weniger wahrscheinlich”, “es lässt sich (aber) sagen, dass..”.

Ein Satz der mit “Mit großer Wahrscheinlichkeit…” beginnt, lässt sich nicht brüllen und ist auch nicht besonders eingängig.

Doch genau das lässt sich nutzen machen, um mit einfachen Mitteln das Dumme vom Klugen zu unterscheiden. Nicht immer und jedesmal aber mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit, um auch bei Themen, von denen man selbst keine Ahnung hat, den Sinn vom Unsinn zu unterscheiden. Man muss sich nur einen Filter bauen und der Filter geht so: Jedesmal wenn jemand Worte wie alles, nie, überall, nirgends, absolut, immer oder ähnliches benutzt, kann man getrost die Aufmerksamkeit  in eine andere Richtung lenken, denn die Wahrscheinlichkeit, Erkenntnis in der Richtung der Quelle dieser Worte zu finden ist gering.

So lässt sich schon mal ein Haufen Unsinn ausblenden. Und das macht das Leben sowohl entspannter als auch viel interessanter.

Tony Schwartz – Der einflussreichste Schriftsteller unserer Zeit

Tony-Swartz

Wie oft passiert es, dass jemand, der die Welt verändert, dies versehentlich tut? Wahrscheinlich gar nicht so selten. Wie viele beginnen mit dem Ziel vor Augen, die Welt zu verändern und ziehen es so lange durch, bis sie ihr Ziel erreicht haben? Den Affen möchte ich sehen, der sich, noch bevor er den ersten Schritt geht, ein derart größenwahnsinniges Ziel setzt. Unwahrscheinlich.

Wahrscheinlich haben die meisten, die die Welt verändert haben, nur das gemacht, was sie sowieso machen wollten und erst im Rückblick hat man gesehen – hoppla, das hat die Welt verändert!

Der wohl einflussreichste Schriftsteller unserer Zeiten ist ein tragischer Held, der versehentlich die Welt in andere Bahnen lenkte.

Literatur vermag es manchmal die Welt zu verändern, einige wenige Werke haben das Denken und Handeln von Menschen derart beeinflusst, dass es ganze Gesellschaften prägte.

Religiöse Schriften entwickelten diese Kraft oder sollte man besser andersherum sagen, dass Schriften, die derartige Kraft entwickelten Religionen wurden?

James Joyce „Ulysses“ hatte prägenden Einfluss auf das Denken und Handeln eines Teils der Gesellschaft. Auch wenn nur ein winziger Teil der Menschen dieses Buch gelesen haben mag. Als jemand der sich sein Leben lang mit der Wirkung von Geschichten auf die Wahrnehmung beschäftigt, weiß ich aus eigener Erfahrung, wie sehr dieses Buch prägenden Einfluss auf mein Denken hatte, und das, obwohl ich es wahrscheinlich noch nicht einmal in der Hand gehalten, geschweige denn gelesen habe. Doch unabhängig von meiner Wahrnehmung, James Joyce „Ulysses“ ist ein großes Werk der Literatur, da sind sich die Experten einig.

Adam Douglas „Hitchhiker’s Guide Through The Galaxy“ entwickelte eine derartige Kraft und lies nicht nur Smartphones so aussehen, wie sie heute aussehen, vor Jahr und Tag habe ich einem Freund eine Ausgabe dieses Werks geschenkt, die auf dünnem Bibelpapier gedruckt war. Das war natürlich ein Witz, aber wie jeder Witz kam auch dieser nicht von ungefähr.

In diesem Sinne ist Mickey Maus bedeutende Literatur, denn auch Mickey Maus hatte prägenden Einfluss auf das Denken und Handeln der Gesellschaft. Da sind sich die Experten zwar nicht mehr ganz so einig, aber diese Ansicht ist zumindest in akademischen Kreisen kaum mehr strittig.

Alle folgenden Überlegungen basieren auf dem Gedanken, dass die Bedeutung von Literatur unabhängig von ihrer „literarischen Qualität“ an der die Gesellschaft prägenden Kraft gemessen werden kann. Wenn Sie diesen Gedanken nicht mitgehen können, möchte ich Ihnen freundlich für die bis hierhin erbrachte Aufmerksamkeit danken und mich von Ihnen verabschieden, denn die folgenden Überlegungen werden für Sie keinen Sinn ergeben.

Sie sind noch da? Nungut.

Es geht um den wohl bedeutendsten Schriftsteller der Gegenwart. Und doch kennen nur wenige seinen Namen. Der Name seines wichtigsten Werks ist Millionen von Menschen geläufig. Viele haben das Buch gelesen und zitieren daraus, wie aus einer Bibel. Das Buch ist ein Werk der Fiktion, das sagt jedenfalls der Autor selbst. Es ist ein Werk, dass das Denken von Millionen von Menschen beeinflusst, die Gesellschaft und die Politik in den USA geprägt hat und was die USA prägt, prägt die Welt. Der Autor hatte den immensen politischen Einfluss seiner Worte weder vorhergesehen, noch hat er ihn intendiert. Der Autor hatte nicht den Hauch einer Ahnung, welche Konsequenzen seine Worte Jahrzehnte später entfalten würden. Er hat es nicht intendiert und hätte es nicht gewollt. Er hatte schlicht und einfach nicht für möglich gehalten, dass der Stein, den er vom Berg warf, eine Lawine würde auslösen können.

Als junger Schriftsteller hat sich der Autor vor über 30 Jahren als Ghostwriter verdingt. Als solcher schrieb er für jemanden, der ihn zwar faszinierte, den er aber verachtete, eine Heldengeschichte. Es war eine Heldengeschichte, wie sie sein Auftraggeber hören wollte. Der hat den Schriftsteller gut bezahlt, um der Held seiner Geschichte zu sein.

Der Schriftsteller hat Jahre später das Buch sogar widerrufen, als er die Gefahr erkannte, die auf die Menschen und den gesamten Planeten zukam. Aber wie soll man eine Fiktion widerrufen – eine Fiktion, an die immer mehr Leute zu glauben begannen? Eine Fiktion kann man nicht widerrufen. So wie Goethe “Die Leiden des jungen Werther” nicht hätte widerrufen können, als man dem Buch vorwarf, es treibe Leser in den Selbstmord.

Der junge Autor hatte vermutlich die Kraft seiner Worte unterschätzt, hatte gedacht, die Worte, die er benutzte seien stumpfe Messer, dabei waren sie rasiermesserscharf. Der Autor stand am Zenit seines Schaffens. Sein Leben lang würde er nie wieder ein Werk dieser Kraft zu schaffen in der Lage sein. Er hat es, angewidert vom Erfolg auch nie wieder in der selben Richtung versucht.

Er schrieb das Buch für einen 38 jährigen, angeberischen New Yorker Aufsteiger, einen dummerdreisten, skrupelloser Mann, von dem damals ausserhalb New Yorks kaum jemand gehört hatte.

Den Schriftsteller interessierte das Geld, er war ‘writer for hire’ aber eben auch einer, der seine Arbeit ernst nahm.

So blickte der Schriftsteller in die Abgründe seines Helden, so wie es jeder gute Schriftsteller tut. Er betrachtet den Helden von vielen Seiten und all dies  unterfütterten sein Werk.

Das Buch trägt den Titel „The Art Of the Deal“ und seinen Helden kennt nun die ganze Welt. Denn der wurde Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika und als solcher kam er in das Schicksal des Planeten prägende Stelle. Es ist eine Geschichte der modernen Medien, das Buch machte den fiktionalen Helden der Geschichte zuerst zum Fernsehstar und zum Idol von Millionen von Menschen bevor sie ihn zum realen Präsidenten wählten.

Der Mensch ist ein Geschichten-Tier oder anders gesagt, die Fähigkeit Geschichten zu erzählen hat aus einem Tier einen Mensch gemacht. Geschichten waren zu allen Zeiten das Instrument die Welt zu verstehen und verstehbar zu machen. Heute leben wir in einer medialen Welt in der nonstop Geschichten produziert werden. Nicht um die Welt zu begreifen, sondern um die Menschen zu unterhalten, die Medien zu bespielen, um Content zu produzieren, um die Drähte am glühen zu halten.

Da kann es schon mal passieren, dass ein überaus talentierter Schriftsteller versehentlich einen Helden erfindet, der niemals hätte Held sein dürfen und der dann die reale Weltbühne betritt.

It’s not about politics

It was the strangest president ever. A president who didn’t talk politics. Who instead flaunted himself, bragging about what he had and what he was capable of. Like a child playing king, constantly explaining to the audience what a king is and what a king is allowed to do. A spiteful child who calls those who don’t want to play with him the others and has only bad words for them. A child who calls out the others with a screaming voice, for what he constantly does himself.

It was a president who exaggerated even the most banal issues until there seemed to be only two options left. Like pretending that a race of many runners is just a fight between two. And as if the audience then had to decide which of the two they had to team up with.

How did this devil manage to bewitch so many people in such a way? That they elected a television character as president, who then made being president a television spectacle? A president who only pretended to be president and measured his success in television ratings?

The people made a prey out of themselves when they began to distrust politicians on principle. The people did not want a politician and chose a clown instead. The clown sat in the cockpit with a pilot’s cap, had no idea about flying and didn’t even show a spark of interest in wanting to learn. It was a president who could not distinguish the spectacle from reality, for whom reality and fiction were one and the same.

The president severely damaged the boundaries between reality and fiction. Like two liquids flowing into each other, it soon became impossible to tell what is true and what is false. It was as if fresh and waste water flowed into each other and made society ill.

It is necessary to investigate exactly how this accident could have happened, so that it cannot happen again in the future. It was always a foolish idea to hand the scepter to the fool. In this day and age, with the weapons of destruction at the disposal of the powerful, it can be deadly – for all of humanity. It looks like we got away with it again. We’ve been damn lucky.

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