Die Zukunft des Denkens

Womöglich wird bald und vielleicht sogar schon jetzt den Kindern vor allen Dingen eine Fähigkeiten vermittelt, um sie aufs Leben vorzubereiten. Es ist eine Tugend und sie kann trainiert werden: Unvoreingenommenheit. Eltern/Schulen/Medien werden den Kindern beibringen so unvoreingenommen wie möglich zu sein. Denn diese Fähigkeit könnte die wichtigste Voraussetzung sein, erfolgreich zu sein – was auch immer Erfolg in der Zukunft ausmachen sollte. Denn Unvoreingenommenheit scheint mir die wichtigste Voraussetzung, um von der Vielzahl der Signale profitieren zu können, die auch aufgrund technischer Entwicklungen aus immer mehr Richtungen und immer lauter empfangen werden können.

Mit Voreingenommenheit hingegen ist es meiner Meinung nach schwierig, vom Wissen anderer zu profitieren, die ausserhalb der Grenzen der Voreingenommenheit stehen – technische Entwicklungen hin oder her. Die zum großen Teil widersprüchlichen Signale, die, wie zu erwarten ist, immer mehr, aus den verschiedensten Richtungen auf uns einwirken, über Smartphone, Computer, Zeitung, Radio, Fernsehen, Twitter, Facebook, YouTube, Instagram, TikTok – und was da noch alles ist und sein wird – all das scheint für voreingenommene Menschen immer mehr zum Problem zu werden, eine Kakophonie, unverständlicher Lärm.

Wenn man mit wenigen Augen auf etwas sehr großes und komplexes schaut, scheint mir, als dass man nicht viel mehr wahrnehmen kann als das Detail, das man zufälliger Weise vor der Nase hat. Man bräuchte viele verschiedene Blickwinkel, um große komplexe Dinge zu verstehen. Wenn sich das Ding dann noch bewegt, so wie man sagt, dass sich die Welt immer schneller verändert, wenn also das Ding, das es zu erfassen gilt ein ein “moving target” ist, kann es demnach nur erfasst werden, wenn man aus vielen Blickwinkeln gleichzeitig zu betrachten gelernt hat. Unvoreingenommenheit scheint mir die Voraussetzung zu sein, Blickwinkel zuzulassen, die dem eigenen Sehen vielleicht sogar widersprechen

Die Probleme mit denen die Menschheit in der Zukunft konfrontiert sein wird, werden vermutlich sowohl grösser als auch komplexer sein als heute und sie müssen dann noch viel mehr von den verschiedensten Seiten aus begutachtet und verstanden werden um sie reparieren zu können. Die Unvoreingenommenen würden so immer mehr an Bedeutung gewinnen, denn sie wären dazu in der Lage. Die Voreingenommenheit scheint mir schon jetzt auf dem absteigenden Ast, wie sich, meiner Meinung nach, auch an vielen Stellen beobachten lässt. Die seit Jahren offenbar immer mehr zunehmenden Diskussionen um Diversität aller Art ist meiner Ansicht nach ein Ausdruck von genau dieser Entwicklung, Ausgrenzung und Voreingenommenheit wird nach meiner Beobachtung immer weniger goutiert. Der tiefer liegende Grund ist dabei meiner Meinung nach weniger das Streben nach Gerechtigkeit, sondern das Bewusstsein um den Wert der vielen verschiedenen der Blickwinkel.

Ich bin überzeugt, dass Gesellschaften, die in der Lage sind, eine möglichst große Zahl an Perspektiven zuzulassen, besser sehen, besser erkennen und besser verstehen können. Und das wiederum scheint mir die beste Voraussetzung zu sein, klug auf Veränderung reagieren zu können. Wenn es stimmt, dass sich die Welt immer schneller verändert, werden es sich die Gesellschaften immer weniger leisten können, wählerisch zu sein und nur die Perspektiven gelten zu lassen, die Voreingenommenheit zulässt.

Ich vermute, unsere Kinder werden klüger sein als wir, weil sie besser verstehen, sich mit dem Wissen aus tausenden von Blickwinkeln aufzuladen. Und sie werden sich vermutlich bewusst sein, dass jeder/jede einzelne alleine immer nur einen winzigen Blickwinkel auf die Realität wahrnehmen kann.

Diese Kinder werden, so vermute ich, unvoreingenommen sein, klug und bescheiden. Genies eben.

Geschichten sind nur Worte, die sich zufällig reimen

Ein paar Worte über Geschichten, betrachten Sie diese als wahr. So wahr, wie Geschichten eben sein können. Alle Geschichten sind gemacht, sind konstruiert, sind künstlich, kämen so in der Natur nie vor. Es gibt keine wahren Geschichten, man könnte sogar sagen, die wahre Geschichte an sich, ist eine Erfindung und doch sind Geschichten alles, was wir haben, und alles was ist, haben wir Geschichten zu verdanken.

Ohne Worte, zu Geschichten gebündelt, könnten wir uns an die Welt nicht erinnern. Wir könnten nur sehen und hören und fühlen und schmecken was ist, wir könnten die Welt wahrnehmen, doch sie wäre zerronnen, sobald der Augenblick vergangen und in der Vergangenheit verschwunden ist. Wir könnten uns an nichts erinnern. Alles bestünde nur aus dem Moment, in dem es ist. Ohne Worte wäre der einzige Ort, an dem wir leben könnten, der immerwährende, ewige Moment.

Eine Geschichte ist nicht mehr als ein Bündel Worte, die sich auf bestimmte Art und Weise reimen. Der Reim ist das, was die Worte zusammenhält, so dass sie in Erinnerung bleiben können, von Gehirn zum Gehirn transportiert werden können, von Dauer sein können [1].

Worte mögen eine Annäherung an das sein, was ist, Geschichten hingegen sind willkürlich. Geschichten interessieren sich nicht dafür, ob sie näher oder weiter sind von dem, was ist. Geschichten interessieren sich nur dafür, ob sie sich reimen. Je besser der Reim, desto besser die Geschichte.

Nicht jedes Hirn schätzt alle Reime gleich. So bevorzugen manche zum Beispiel einfachere Reime, manche komplexere, manche lustigere, manche ernsthaftere, manche mit einer klareren Melodie, manche mit einer polyphoneren. Und so schätzt nicht jedes Hirn die gleichen Geschichten, doch alle Hirne schätzen Geschichten.

Worte außerhalb von Geschichten machen keinen Sinn, fallen auseinander, sind leere Worte. Die Zahl der nicht-gebündelten Worte, die sich ein Hirn merken kann ist begrenzt, die Zahl der Geschichten, die sich ein Hirn merken kann, mag auch begrenzt sein, doch sie ist gewaltig groß. Sie können es selbst sehen, sobald Sie Ihren Blick nach innen richten. Betrachten sie all die Geschichten, an die Sie sich erinnern können, all die Geschichten, die Sie zu dem machen, was Sie sind.

Alle Geschichten sind Erfindungen. Sie sind alles, was wir haben. Alles, was wir sind.


[1] Zwar gibt es Techniken und Technologien Wissen aus Hirnen auszulagern (Bücher, Filme, ect.) doch kann dies eben immer nur (unbelebter) Zwischenspeicher sein.

Audience of Collaborative Thinkers

People often ask me what I want to say with what I say. They ask me things like „What is the message of your film?“ and then they ask me „And who is the audience for your films, for your texts, for what you put out into the world?“. I used to say: „I don’t think of an audience.“ I said that for many years, at many instances, on many stages and then I learned that this is not quite true.

I do have an audience and I know my audience very well. The audience is one person, and that person is me. „So if it is only for you, why do you need to put it out into the world?“ might be the next good question and I have two answers.

The first reason is that when I put it out into the world, I put it out of my head and in front of me. Then I can look at it and I can see it in context with all the other things that are out there already. Things that other people have put out there and things that I have put out there earlier.

The second reason is that when I put something out, sometimes other people come and look at it. Naturally other people look at the thing from a different viewpoint than me. Sometimes people look at the thing in a way that I would not have been able to see myself. When they are so kind and patient to point that out to me, I then can see something that I never saw and most likely would have never seen on my own. This can be enlightening or simply helpful to better understand what I thought and what I think of the thing that I can now see with their eyes.

Many people do it like me. They do it on Facebook or Instagram on YouTube. People put things out into the world and have other people look at it and learn from what these people see.

But just few people put things out into the world to learn from the thoughts of other minds.

Most people are still in the habit of making statements. It seems they want to convince other people to think the same as they do, to look at the thing from the same angle.

Most of the time it is not obvious what the motivation of someone that put something out was when that someone put it out. And from my own experience I can tell that for the longest time I did not know myself what my motivation was.

Mostly people still put out things into the world with the intention to deliver a message without even being aware that it is usually not them who came up with the message in the first place. Usually, it is a message someone else put into their head. So, without knowing these people broadcast the messages of somebody else.

This happens a lot. But as new generations grow up with these web-based tools that make it easy for anyone to put out things, more and more minds start putting out things into the world before they have gotten a message stuck into their head by someone else. These people more and more use the tools to look at things and think collaboratively. They use these new tools not as tools to broadcast opinions but as research tools, tool that help them learn about the world, tool that help them to collaboratively build and maintain vast collections of meaningful things. They use these new tools to collaboratively look and evaluate the things they collected. And while they are doing that, they learn to better use the tools and further develop the tools simultaneously.

This enables them to see patterns that humans have never seen before that no one has realized before and they do that by using not only one brain but many brains, the brains of all the people participating in looking at the same things and start to communicate what they see without starting with a message.

These people don’t need to dumb down reality into messages, they don’t need to tell simple stories, they are able to embrace and enjoy the beauty of complexity.