Quasi

Hey, ich habe keine Ahnung. Ich bin auch nur ein Depp wie jeder andere, und daher sollte man alles, was ich sage, mit größter Vorsicht behandeln. “Größte Vorsicht” bedeutet, dass jeder, der meine Worte hört, nur eine Chance hat, die darin liegende Erkenntnis zu verstehen, wenn er sie mit eigenem Hirn durchdenkt. Das ist meines Erachtens grundsätzlich eine gute Methode, egal wer was sagt.

“Meines Erachtens” werde ich im Verlauf dieses Textes nicht mehr sagen; es gilt ohnehin immer, man kann es sich also bei jedem Satz dazu denken.

Alles, was jemand sagt, kommt aus einer speziellen Perspektive heraus. Jede Idee entsteht an einem bestimmten Punkt im System, von der Person aus, die diese Position einnimmt. Man kann sich das wie ein Koordinatensystem vorstellen, auf dem jede Achse eine andere Charaktereigenschaft repräsentiert. Doch dieses Koordinatensystem hat nicht nur drei Dimensionen (X, Y, Z), sondern so viele Achsen, wie es Persönlichkeitseigenschaften gibt. Es gibt keine zwei Menschen an derselben Stelle. Aus dieser einzigartigen Position im Koordinatensystem entsteht dann die Perspektive, die jeder auf das Gesamtsystem hat.

Jeder Gedanke ist einzigartig, solange er von dem Kopf durchdacht ist, der ihn ausspricht, und nicht einfach nachgeplappert wird.

Jeder Gedanke ist einzigartig und wertvoll, solange er nicht nachgeplappert wurde. Nachgeplapperte Gedanken hingegen haben kaum Wert, sie sind Noise.

Was ich versuche, ist, die Muster in den einzigartigen Gedanken zu erkennen, die ich von meiner Position im multidimensionalen System wahrnehmen kann. Denn diese Muster haben eine hohe Wahrscheinlichkeit, relevant zu sein, nicht nur für mich, sondern auch für andere, die mit offenen Augen in die gleiche Richtung blicken.

Deutschland: Was könnte schon schiefgehen?


In den letzten Jahren hat Deutschland intensiv gegen rechtsgerichtetes Gedankengut und faschistische Tendenzen gekämpft. Die Gesellschaft hat eine bemerkenswerte Mobilisierung gegen extrem rechte Bewegungen und Ideologien gezeigt, doch in diesem Kampf könnte ein wesentlicher Punkt übersehen worden sein: Die Möglichkeit, dass viele der Ideen, die als faschistisch gebrandmarkt werden, im Grunde genommen nur gesunder Menschenverstand sind.


Der Kampf gegen das, was als “rechts” oder “faschistisch” etikettiert wird, hat zu einer Hypervigilanz geführt, bei der selbst alltägliche, vernünftige Ideen wie die Notwendigkeit von nationaler Sicherheit, die Bedeutung von gesetzlicher Ordnung oder der Wunsch nach kultureller Identität in den gleichen Topf wie extremistische Ideologien geworfen werden. Diese Gleichsetzung kann dazu führen, dass legitime Diskussionen über wichtige Themen wie Immigration, Integration und innere Sicherheit erstickt werden, bevor sie überhaupt beginnen können.

zum Beispiel:

Sicherheitspolitik: Die Forderung nach einer robusten Sicherheitsarchitektur, die darauf abzielt, Bürger zu schützen und Terrorismus zu bekämpfen, wird oft als autoritäre oder faschistoide Tendenz interpretiert.


Kulturelle Identität: Die Erhaltung und Würdigung der eigenen Kultur und Geschichte wird manchmal als nationalistisch oder fremdenfeindlich interpretiert, obwohl hier auch ein legitimer Wunsch nach Stabilität und kulturellem Erbe mitschwingt.


Gesetz und Ordnung: Diskussionen über das Strafrecht, Asylpolitik oder öffentliche Ordnung können schnell zu Unmut führen, wenn sie als Anzeichen für eine faschistische Haltung betrachtet werden.

Die Gefahr des eigenen faschistischen Gedankengutes

Noch besorgniserregender könnte jedoch sein, dass viele im Kampf gegen das vermeintlich Faschistische die faschistischen Elemente in ihren eigenen Ideen und Handlungen übersehen. Hier sind einige Szenarien, in denen dies zutreffen könnte:

Zensur und Meinungsunterdrückung: Unter dem Vorwand des Schutzes vor Hassrede oder falschen Informationen könnte eine Kultur der Selbstzensur oder institutionalisierte Zensur entstehen. Dies ist ein klassisches Merkmal autoritärer Regime, das die Vielfalt der Meinungen einschränkt und den Dialog erstickt.


Kollektivismus über Individualismus: Es könnte eine Tendenz geben, die individuelle Freiheit zugunsten eines vermeintlich höheren Gemeinwohls zu opfern. Dies könnte sich in politisch korrekten Normen manifestieren, die die Freiheit der Meinungsäußerung einschränken oder zu einer “Kultur der Denunziation” führen, in der Menschen für abweichende Ansichten bestraft werden.

Verherrlichung des Staates: Die Idee, dass der Staat auf Kosten der persönlichen Freiheit immer mehr Macht sammeln sollte, um “gute” Ziele zu erreichen, könnte zu einer Überbetonung des Staates führen. Diese Form des Staatswillens kann leicht in eine faschistische Haltung abgleiten, wo der Staat als letztes und einziges Mittel zur Lösung aller Probleme gesehen wird.

Einheitskultur: Der Druck, eine einheitliche Kultur und Meinung durchzusetzen, könnte zu einer Unterdrückung von Minderheiten oder Abweichlern führen, was direkt der faschistischen Idee von Einheit und Konformität entspricht.

Überlegene Moral: Wenn eine Gruppe oder Ideologie behauptet, die moralische Überlegenheit zu besitzen und andere Ansichten als unwürdig oder gefährlich zu betrachten, könnte dies zu einer Art moralischem Faschismus führen, wo nur eine Sichtweise als legitim gilt.

In Deutschland geht es in den nächsten Jahren darum, einen klaren Unterschied zwischen gesundem Menschenverstand und extremen politischen Ideologien zu machen. Die Gefahr besteht nicht nur darin, dass man im Kampf gegen das Faschistische die normalen, gesellschaftlich notwendigen Diskussionen unterdrückt, sondern auch, dass man in der eigenen politischen und sozialen Praxis versehentlich faschistische Tendenzen fördert. Es ist entscheidend, dass diese Reflexion und Kritik auf beiden Seiten des politischen Spektrums stattfindet, um eine Gesellschaft zu fördern, die wirklich auf Offenheit, Dialog und Respekt vor der Vielfalt basiert.

Die Zukunft wird zeigen, ob Deutschland diese Balance finden kann oder ob es in genau die Richtung driftet, die sicherlich die allermeisten zu bekämpfen versuchen.

“Es ist nicht rassistisch auf solche Punkte hinzuweisen.”

“It is not racist to point at those issues”

Ich bin auf YouTube bei diesem Satz hängen geblieben. Der Satz lässt sich verallgemeinern:
“Es ist nicht problematisch auf Punkte hinzuweisen.”

Es ist ein Satz der für mich so viel von den Problemen unserer Gegenwart auf einen Punkt bring.

Meine Recherchen, so könnte man sagen, legen den Schluß nahe, dass die meisten Menschen zu vielen Dingen, die sie als problematisch einstufen, zwar starke Meinungen, nicht aber besonders viel Ahnung zu haben. Zum Teil haben sie auch beeindruckend viele Informationsstücke (“SNUs” für alle, die mit Korsakow vertraut sind) internalisiert, aber diese SNUs schauten mehr oder weniger alle aus der selben Perspektive auf das Problem, nämlich aus der Perspektive der eigenen Meinung.

Wenn man ein mehrdimensionales Objekt (und jedes Problem ist ein mehrdimensionales Objekt) aus nur einer Perspektive betrachtet, hat man keine Chance, das Objekt auf einem höheren Niveau zu verstehen.

Immer wieder stelle ich in Gesprächen, selbst mit den intelligentesten Menschen fest, dass sie sich bei Dingen, zu denen sie eine Meinung haben schwer tun, sich auf Informationen einzulassen, die ihrer Meinung widersprechen. Wenn sie es doch tun, suchen sie in der Regel gezielt nach Informationen, die ihre Meinung bestätigt und benutzen diese SNUs dann als Munition, um ihre ursprüngliche Meinung zu verteidigen.

Viele Leute lassen Perspektiven nicht an sich heran und das ist ein Problem, denn was is die Konsequenz man, wenn man andere Perspektive nicht an sich heranlassen kann? Eine Perspektive oder einen Gedanken an sich heranzulassen ist Voraussetzung dafür, ihn zu bedenken, ihn kennenzulernen, so wie man einen Hund nur dann wirklich kennenlernen kann, wenn man ihn an sich heranlässt. Zu Dingen, die man nicht an sich heranlässt, kann man zwar ein Meinung haben, aber diese Meinung kann dann allenfalls zufällig richtig sein. Mit Analyse, verstehen, kennenlernen und sich in alle Aspekte hinein fühlen wollen hat das nichts zu tun. Mit anderen Worten: Mit der Realität hat es höchstwahrscheinlich nichts zu tun. Wenn man Dinge nicht an sich heranlässt lebt man früher oder später in einer Fantasiewelt.

Oh, bin ich dämlich

Oh, bin ich dämlich! Ich musste soeben herzlich lachen, als ich mir unvermittelt meiner Dummheit gewahr wurde. Ich habe mein Hirn dabei erwischt, wie es Dinge verknüpfte, die sich nicht verknüpfen lassen. Gemeinhin nennt man das einen Fehler. Mein Hirn (wie wohl jedes?) knüpft unentwegt Verbindungen zwischen Dingen. Das ist manchmal sinnvoll, wenn ich zum Beispiel Worte in “die richtige” Reihenfolge bringe. So, dass die Worte Sinn ergeben – oder zumindest wohl klingen. Aber oft genug mögen meine Worte wohl klingen, aber sie machen nicht wirklich Sinn, denn sie lassen sich nicht mit der Welt verknüpfen.

Und damit ergibt sich die Antwort auf die erste Frage, die da lautet: Sind wohlklingende Worte immer wahr? Die Antwort, da dürfte allgemein Einigkeit herrschen, ist – nein. Worte müssen nicht wahr sein, auch wenn sie schön klingen. Diese Erfahrung hat bestimmt schon jeder gemacht, zumindest seit der Erfindung der Reklame.

Die zweite Frage ist hingegen viel schwieriger zu beantworten und ich währe sehr an anderen Perspektiven interessiert: Wie ist es mit wahren Worten? Müssen wahre Worte immer auch schön sein? Um diese Frage zu untersuchen, müssen wir zuerst genauer definieren was an dieser Stelle mit “schön” gemeint ist. Schön nicht aus der Betrachtung des Augenblicks, denn wahren Worte sind oft erschreckend. Von Schönheit würde man eigentlich nicht erwarten, sich davor zu erschrecken. Mit Schönheit muss also hier die Schönheit gemeint sein, die von einem wahren Satz ausgeht, wenn man den Satz in der Betrachtung der Vergangenheit, im historischen Kontext ausspricht, weit weg von jeglicher emotionaler Nähe.

Emotionale Nähe, wie gesagt, kann erschrecken.

Interaktiver Dokumentarfilm ist tot. Es lebe der interaktive Dokumentarfilm.

Interaktiver Dokumentarfilm: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Seit 1997 beschäftige ich mich mit dem, was wir heute als interaktiven Dokumentarfilm kennen. Zehn Jahre später erfuhr ich, dass meine Arbeiten in dieses Genre fielen, lange bevor der Begriff selbst existierte.

Interaktive Dokumentarfilme gab es für mich also schon, bevor es den Begriff gab. Und ich bin überzeugt, dass es diese Form weiterhin geben wird, selbst wenn der Begriff eines Tages in Vergessenheit gerät – ähnlich wie der Begriff “Multimedia” inzwischen historisch ist, obwohl das Konzept dahinter weiterlebt.

Die Zukunft des Interaktiven Dokumentarfilms

Wie könnte dieser “interaktive Dokumentarfilm” der Zukunft aussehen? Können wir ihn heute schon erkennen? Ja, das können wir. Ein Blick auf YouTube zeigt die bereits verwirklichte Zukunft des interaktiven Dokumentarfilms. Einzelne Videoclips, sogenannte SNUs (Smallest Narrative Units), werden durch Algorithmen miteinander verknüpft. Diese Methode, die ich seit 25 Jahren anwende, mag heute alltäglich erscheinen, doch für frühere Generationen war sie in einem Massenmedium undenkbar. Diese neue Art, Informationseinheiten zu verbinden, hat das Potenzial, unser Denken zu beeinflussen.

Mustererkennung und Multiperspektivität

Auf YouTube sehe ich, wie viele Menschen beginnen, bestimmte Zusammenhänge zu erkennen – Zusammenhänge, die ich durch meine Arbeit im interaktiven Dokumentarfilm ebenfalls entdeckt habe. Es geht darum, Muster zu erkennen, in denen mehrere, oft widersprüchliche Geschichten gleichzeitig existieren. Wo viele nur eine einzige Wahrheit sehen, erkennen andere den Wert aller widersprüchlichen Geschichten, die zusammen ein vollständiges Bild ergeben. Dieses Bild ist komplex, aber nicht unverständlich; manche Muster sind sogar ziemlich eindeutig.

Meine These

Das was ich “Korsakowianische Praxis” nenne, hat einen verstärkenden Einfluss auf das multiperspektivische Denken einer Gesellschaft. Indem wir lernen, verschiedene narrative Stränge zu erkennen und zu verknüpfen, entwickeln wir ein tieferes Verständnis für die Komplexität der Welt und die Vielzahl der Geschichten, die sie formen.

In diesem Sinne lebt der interaktive Dokumentarfilm weiter – in neuen Formen, auf neuen Plattformen und mit ähnlichen Methoden. Und er wird den Blick auf unsere Welt erweitern und vertiefen.

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