Es geht nicht um Politik

Es war der seltsamste Präsident aller Zeiten. Ein Präsident, der nicht über Politik sprach. Der sich statt dessen aufblies und angab, mit dem, was er alles hatte und wozu er fähig sei. Wie ein Kind, das König spielt und dem Publikum ständig erklärt, was ein König ist und was ein König darf. Ein gehässiges Kind, das die, die nicht mit ihm spielen wollen, die anderen nennt und nur böse Worte für sie übrig hat. Ein Kind, das den anderen mit kreischenden Stimme vorhält, was es selbst ständig macht.

Es war ein Präsident, der selbst banalste Themen so lange überzeichnete, bis es nur noch zwei Möglichkeiten zu geben schien. Wie wenn man so täte, als sei ein Wettrennen vieler Läufern nur ein Kampf zwischen zweien. Und wie als ob sich das Publikum dann entscheiden müsse, zu wem von den beiden es hielte.

Wie hat es dieser Teufel geschafft, so viele Leute so derart zu verhexen? Dass sie eine Fernsehfigur zum Präsidenten wählten, der dann Präsident sein zu einem Fernsehspektakel machte? Ein Präsident der President sein nur spielte und seinen Erfolg in Fernsehquoten maß?

Das Volk hat sich selbst zur Beute gemacht, als es anfingen Politikern grundsätzlich zu misstrauten. Die Leute wollten kein Politiker und haben statt dessen einen Clown gewählt. Der saß dann mit Pilotenmütze im Cockpit, hatte vom Fliegen keine Ahnung und zeigte nicht einmal einen Funken von Interesse, es lernen zu wollen. Es war ein Präsident, der das Schauspiel nicht von der Wirklichkeit unterscheiden konnte, für den Wirklichkeit und Fiktion ein und das selbe war.

Der Präsident hat die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion schwer beschädigt. Wie zwei Flüssigkeiten, die ineinander flossen, war bald nicht mehr erkennbar, was wahr ist und was falsch. So als ob Frisch- und Brauchwasser ineinander floss und die Gesellschaft erkranken ließ.

Es muss genau untersucht werden, wie es zu diesem Unglück kommen konnte, damit es in der Zukunft nicht wieder passieren kann. Es war immer schon einer törichte Idee, dem Narren das Zepter zu reichen. In der heutiger Zeit mit den, den Mächtigen zu Verfügung stehenden Vernichtungswaffen, kann es tödlich sein – für die gesamte Menschheit. Es sieht so aus, als seien wir noch einmal davon gekommen. Wir haben verdammt viel Glück gehabt.

Trump is over

Es ist eine Obsession von mir Trump-Rallies live im Internet anzuschauen. Stundenlang. Das war schon 2016 so, ich habe mittlerweile wohl 50 Auftritte von Trump in ihrer Gänze gesehen.

Gestern ist Trump in Tulsa aufgetreten. Es war die erste Trump Rally seit langem, Trump wollte trotz Corona unbedingt seinen Auftritt, er hat ihn bekommen. Heute lese ich, dass sich Kinder überall in den USA organisiert haben um Tickets aufzukaufen, und so dafür sorgten, dass viele Reihen in der Halle leer blieben. Es mag zu dem beigetragen haben, was dann passiert ist.

Ich habe auf YouTube eine Live-Kamera gefunden, die während der gesamten Rally immer nur das Publikum gefilmt hat. Die Kamera war von Fox, einem Trump durchaus gewogenem Sender. Trump spricht in seinen Rallies immer davon, dass die Kameras der ‘Mainstream-Medien’ immer nur auf ihn gerichtet seien, aber nie die riesige Crowd von Leuten zeigen würden, die zu seinen Veranstaltungen kommen. Trump hat von Fox die Kamera bekommen, die er sich immer gewünscht hat – eine Kamera, die nur das Publikum filmt.

Ich bin zufällig auf diesen Lifestream gekommen. Es haben nicht viele Leute zugeschaut (800, 1000). Zu sehen waren Bilder von fassungslosen Gesichtern, Menschen, die offenbar nicht glauben konnten, was sie sahen. Trump faselte wirres Zeig, wie ich es noch nie gehört habe, er redete beispielsweise 10, 15 Minuten lang darüber, wie und warum er vorsichtig eine Treppe heruntergelaufen ist und versuchte sich darüber lustig zu machen, dass es Leute gab die darin ein Zeichen sahen, dass Trump ein gesundheitliches Problem habe. Er sagte (offenbar versehentlich), dass er Parkinson hätte. ‘People say I have Parkinson. It is true. It is true.’

Trump konnte einem leid tun, wie er auf der Bühne herumhampelte und man konnte es in den Gesichtern der Leute sehen, dass Trump ihnen leid tat, dass sie nicht fassen wollten, dass ihr Idol nur mehr ein alter plappernder Mann war. Man kann den Schrecken in den Gesichten der Menschen sehen, als ihnen das klar wird. Wie sie noch an Trump glauben wollen, wie sie klatschen wollen, wenn Trump seine Wahlkampfklassiker serviert. Die Leute können einem leid tun.

Zu Trump-Rallies kommen Trump-fans. Das müssen diesmal besonders hartgesottene Anhänger gewesen sein, die sich mitten in der Corona-Pandemie aufmachten, ihr Idol zu sehen.

Man kann auf den Bildern den Shock in den Gesichtern der Menschen sehen.

Ich konnte es selbst nicht fassen. Ich habe einen Screenshot nach dem anderen gemacht.

Es mag damit zu tun gehabt haben, dass Kinder sich auf TikTok organisierten, Karten zu bestellen und die Halle nicht voll war. Vielleicht waren die Kinder es, die eine Lawine auslösten, vielleicht hätte sich die Lawine aber auch so gelöst. Die Lawine der Erkenntnis: Der Kaiser hat keine Kleider.

 

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Eine gruselige Geschichte

Der Ted Talk von Simon Sinek ist eine gruselige Geschichte. Der 8 Jahre alte Ted-Talk “How great leaders inspire action” von Simon Sinek spricht mir einerseits aus dem Herzen, doch gleichzeitig wird mir fast körperlich schlecht.

Simon Sinek beschreibt, was einen erfolgreichen Innovator ausmacht. Welche Fragen er sich in welcher Reihenfolge stellt und warum diese Reihenfolge wichtig ist und Erfolg nach sich zieht.

Ich denke an Donald Trump. Die Figur Trump stellt sich genau so dar: als erfolgreicher Innovator, der völlig von dem überzeugt ist, was er sieht. Und genau diese Qualität macht ihn für viele Menschen so überzeugend. Doch Donald Trump ist leider kein erfolgreicher Innovator, seine Ideen sind langfristig höchstwahrscheinlich sehr, sehr schlecht (nach allem, was die überwiegende Meinung von Experten ist). Doch das faszinierende: Trump scheint sich selbst fest zu glauben, mit jeder Faser seines Selbst. Seine Überzeugtheit macht ihn so überzeugend.

Es ist fast so, als hätte Trump und auch die Trump-Wähler den Ted-Talk von Simon Sinek gesehen. Denn sie verhalten sich genau nach seinen Regeln. Das ist natürlich unwahrscheinlich. Wahrscheinlich ist, dass Simon Sinek 2010 ein Muster erkannt hat, das damals im Entstehen war.

Ich habe das Muster damals auch gespürt ( wenngleich nicht so gut beschrieben, mein Versuch hier: Die Welt ist eine Wolke ).

Der Ted Talk von Simon Sinek ist eine schöne Geschichte. Wenn man sie als Inspiration nimmt und sich damit in die Lage versetzt, aus einem anderen, vorher unbekannten Blickwinkel die Dinge sehen zu können – dann bringt einen die Geschichte im Denken weiter. Denn dann ergänzt der neue den alten Blickwinkel und man kann nun nicht mehr nur aus einer, sondern aus zwei Perspektiven sehen. Das ist der erste Weg.

Der zweite Weg ist, wenn man denkt, die neue Geschichte sei wahr. Dann glaubt man sie einfach und bleibt im Grunde das, was man auch vorher schon war: ein Gläubiger. Man ändert nur seinen Glauben. Man glaubt nicht mehr an die eine Geschichte, sondern an die andere. Man ändert den Blickwinkel und anstatt die Sachen so zu sehen, wie man sie vorher gesehen hat, schaut man sie nun aus der neuen Perspektive an. Man hat die Perspektiven geändert (immerhin!) – aber man hat keine Perspektive hinzugewonnen.

Beim ersten Weg hat man also eine Perspektive mehr während sich beim zweiten Weg die Anzahl der Perspektiven nicht ändert. Man mag  überzeugter sein, nun die Wahrheit zu kennen. Weil man auf dem zweiten Weg eine alte Wahrheit mit einer anderen, einer vermeindlich besseren, ersetzt hat.

Auf dem ersten Weg muss man hingegen lernen, dass es eine Wahrheit nicht gibt und das ist nicht einfach. In der Folge sieht man einerseits unschärfer doch andererseits klarer. Unschärfer, weil man nicht mehr nur Schwarz und Weiß, sondern auch in Grautönen sehen kann. Das Bild, das man sehen kann ist nicht mehr so kontrastreich, doch es ist näher an der Realität.

Vermutlich sind die meisten Trump Wähler den zweiten Weg gegangen: Das würde erklären, warum sie offenbar überzeugter wurden, als sie es waren und scheinbar gleichzeitig das geblieben sind, was sie immer schon waren: Gläubige, die die Welt nur aus einer Perspektive wahrnehmen können.

Mir wird fast schlecht, wenn ich den Ted Talk von Simon Sinek nach all den Jahren erneut sehe, denn es kommt mir der Verdacht, dass die selben Gedanken, die mein Denken vielschichtiger werden liessen, auch dazu führen konnten, dass Menschen noch engstirniger wurden.

Es ist nicht eine Geschichte, die verändert. Es ist die Lehre, die man daraus zieht.

Relevanz vs. Reichweite

Vor 20 Jahren, als ich an der der Kunsthochschule studierte, wurde mir beigebracht, nach Qualität zu streben. Doch was ist Qualität? Qualität wurde von Experten beurteilt, die ihr Wissen aus langer Erfahrung oder aus Büchern hatten. Von dem was populär war, was bei vielen ankam, sollte man sich fern halten.

Heute ist es offenbar ganz umgekehrt. Qualität ist definiert als das, was populär ist, was bei möglichst vielen, möglichst gut ankommt. Von dem, was Experten sagen, basierend auf alter Erfahrung oder Wissen aus Büchern, hält man sich heutzutage besser fern.

Wie misst man Qualität, zum Beispiel von künstlerischer oder journalistischer Arbeit? Wozu das Streben nach Qualität? Und wie ist Qualität überhaupbt definiert?

Ziel ist Relevanz und Einfluss. Je höher die Qualität, desto größer die Relevanz. Und hohe Relevanz ist Voraussetzung fürEinfluss.

Qualität wird heutzutage gerne in Popularität gemessen, in dem Glauben, größere Popularität führe zu mehr Einfluss. Doch das lässt sich mit einem einfachen Gedankenexperiment widerlegen, ein Gedankenexperiment, dass ich schon vor vielen Jahren formuliert habe, als das Fernsehen noch wichtiger war, als heute: Wenn ein Dokumentarfilmemacher einen Film macht, über einen Missstand in unserer Gesellschaft und dieser Film wird nur einem einzigen Zuschauer vorgeführt, z.B. einem Minister, der dann ein Gesetz anstößt, das diesen Missstand behebt, ist dieser Film dann erfolgreich?

“Nein!” ist die klare Antwort, wenn man den Erfolg eines Films in Zuschauerzahlen misst. Dieser angenommene Film hatte nur einen einzigen Zuschauer – den Minister. In wieweit der Film die Gesellschaft beeinflusst, in diese Richtung wird noch nicht einmal geschaut. Auf Grundlage von Zuschauerzahlen (ich habe bereits früher beschrieben, wie es kommt, dass sich die Menschen im Fernsehen so gerne von Zuschauerzahlen blenden lassen) wird die Qualität z.B. von Fernsehprogrammen evaluiert, in der Folge werden Programme dann so ausgerichtet, dass sie im Schema der Qualitätsvorgabe (= möglichst viele Zuschauer) möglichst erfolgreich sind. Mit diesem Rezept hat sich Fernsehen, wenn es darum geht, die Gesellschaft voranzubringen, über die Jahre komplett irrelevant gemacht.

Die Vermessung der Qualität in Popularitätder selbe gefährliche Unsinn – wird nun in noch viel größerem Maß im Bereich Social Media betrieben. Das ist gefährlich, denn das, was wir als Macher von Medien den Menschen zum Konsum geben, formt die Zukunft. Die Menschen, die sich mit diesem Quatsch beschäftigen, die Ihre Hirne mit diesem Quatsch formen, können nur mehr in diesen Formen denken. Das Ergebnis ist die Wahrnehmung in Extremen gepaart mit dem Glaube an die einfache Lösung. Dieses Denken führe ursächlich u.a. zur Wahl von Trump in den USA, dem Brexit, der AFD im Bundestag.

Doch noch viel mehr, als die Konsumenten, sind die Produzenten gefährdet. Die Social Media Producer. Sie üben sich tagtäglich, ihre Gedanken in die rigiden Formen von Facebook, Twitter & Co zu pressen; permanent überwacht vom unmittelbaren Belohnungs- und Bestrafungs-System der exakt vermessenen Klickzahlen und Interaktionen . So werden die talentiertesten jungen Journalisten der neuen Generation gnadenlos in das System gedrückt, ein System, das das Denken der Macher wie der User einzwängt, vermutlich ohne dass sie es merken. Denn sie kennen es nicht anders.

Die Menschen in einer Demokratie im Denken in Extremen zu schulen ist offensichtlich gefährlich. Die Gefahr ist nicht mehr abstrakt. Der oberste extreme Denker hat derzeit seinen Daumen über dem Knopf für die nukleare Auslöschung der Menschheit. Eine Vorstellung die uns alle beunruhigen sollte.

Dinge, die neu sind, die das Potential haben, der Zukunft eine andere Richtung zu geben, können im Entstehen gar nicht populär sein. Denn sie sind neu und im Moment des Entstehens gerade erst ein wenig mehr als unbekannt.

Wir brauchen diese neuen Dinge/Gedanken/Ideen. Es geht vermutlich um nicht weniger als um unser aller Überleben. Doch wir werden das Neue nicht finden, wenn wir die Qualität jeder Idee unter dem Gesichtspunkt der Popularität beurteilen. Es ist wie der Witz vom Mann, der nachts seinen verlorenen Haustürschlüssel sucht. Er kriecht auf allen Vieren unter einer Strassenlaterne. Er weiss, dass er den Schlüssel dort unmöglich verloren haben kann – doch unter der Lampe ist das Licht besser.

Das Licht – das sind die messbaren Reaktionen der Zuschauer. Die gibt es, keine Frage, sie lassen sich auch sehr gut abbilden. Doch sind die Zahlen, nur weil sie sich exakt messen lassen, deshalb auch relevant? Mit Sicherheit nicht.

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