TV is Easy

Es ist schon ein paar Jahre her, da habe ich zusammen mit einem Freund auf einem Festival in Barcelona ein Fernseh-show-format ‚ge-pitched‘. Das heißt wir durften unsere Idee Fernsehproduzenten aus ganz Europa präsentiert. Die Veranstaltung war wie ein Wettbewerb aufgebaut mit Bühne, Publikum und allem. Unsere Idee war eine von vieren. Ich glaube, wir wurden letzter. Anschließend kamen ein paar Leute aus dem Publikum auf uns zu und sagten, dass das Projekt das beste gewesen sei …(*)

Ich muss sagen, ich habe lange nicht verstanden, warum unsere Idee nicht angenommen wurde, ich glaube es hätte wirklich das Potential gehabt, mittels Fernsehen (und Internet) die Welt weiterzubringen.

Eine Fernsehproduzentin mit der ich ein paar Monate später einen Abend lang auf einem anderen Festival rumhing hat es mir dann erklärt:

Egal welche Show im Fernsehen produziert wird, sie hat immer ein Element, wie ein Gewürz, das in keinem Gericht fehlen darf, ein Gewürz nach dem jeder TV-Show schmeckt. Alles ohne dieses Element haben keine Chance. Man habe in der Zuschauerforschung zweifelsfrei herausgefunden, dass keine Show Erfolg haben kann, die dieses Element nicht hat. So schön Euer Projekt auch ist, es fehlt ihm dieses Element.

Was dieses Element ist? Ich glaube es ist wichtig, dass man sich jedes Mal, wenn man eine Show im TV sieht, oder ein Gespräch über eine TV-Show hört, oder über eine Fernseh-Sendung liest, folgendes aufsagt:

Ein Zuschauer vor dem Fernsehen soll sich immer besser fühlen als die, die im Studio vorgeführt werden.

Ich glaube das sollte man wissen, denn es erklärt vieles. Nicht nur im Fernsehen.

 

 

(*) seiner Zeit weit voraus. Das höre ich seit zwanzig Jahren in regelmäßigen Abständen. Vermutlich ist daran was dran, aber wenn dem so ist, dann kann ich aus meiner Erfahrung sagen, wer der Zeit zu weit voraus ist ändert gar nichts. 😉

Nonsense

Bogenwerfer

What is the most important thing in the world, I am asked, and I don’t have to think long. The most important thing in the world is obviously nonsense.

I love sense, I’m always looking for sense and whenever I get hold of something that could be sense, I look at it closely. Whatever thought I grabbed, I hold it up in front of my eyes and study it in depth. In the vast majority of cases, however, I have to realise, “damn, that’s nonsense again!” And then I throw the thought away, somewhere, with all the other nonsense. The nonsense that apparently makes up the whole world.

Every now and then I find sense and of course I don’t throw the sense away. I put each sense in a jam jar, with a pretty label with a name I’ve thought up for the sense, and I put the jam jars neatly in my jam jar cupboard. Every now and then I unscrew one of the jars and enjoy the enchanting smell, which triggers a strong feeling of well-being in me. Sometimes, however, I notice that an old sense has gone bad and I throw it away.

And so I spend my days looking for some sense to put in jam jars. I already have many jam jars, maybe a few hundred. They are all in the cupboard, I wouldn’t even know if I could list them all.

But as I said, sense is rare, most of it is nonsense. The world is made of nonsense and only now and then does a little sense grow on it. But nonsense is obviously more important. Nonsense is the stuff the world is made of. Sense is only the exception. It’s nice somehow, but it might not be useful for anything.

Blödsinn

Bogenwerfer

Was das wichtigste auf der Welt sei, werde ich gefragt, und ich muss nicht lange überlegen. Das wichtigste auf der Welt ist offensichtlich Blödsinn.

Ich liebe Sinn, ich bin gewissermassen immerzu auf der Suche nach Sinn und immer wenn ich etwas zu greifen bekomme, was Sinn sein könnte, schaue ich es mir genau an. Welchen Gedanken auch immer ich da geschnappt habe, ich halte ihn mir vor die Augen und studiere ihn eingehend. In den allermeisten Fällen muss ich aber erkennen, „verdammt, das ist ja schon wieder Blödsinn!“ Und dann schmeisse ich den Gedanken weg, irgendwohin, zu dem ganzen anderen Blödsinn. Dem Blödsinn, aus dem offenbar die ganze Welt besteht.

Ab und zu finde ich auch mal Sinn und den Sinn schmeiße ich natürlich nicht weg. Den Sinn packe ich jeden einzelnen in ein Marmeladeglas, mit einem hübschen Etikett, auf dem der Name steht, den ich mir für den Sinn ausgedacht habe und die Marmeladegläser stelle ich fein säuberlich in meinen Marmeladengläserschrank. Ab und zu schraube ich eines von den Gläsern auf und erfreue mich an dem bezaubernden Geruch, der ein starkes Wohlgefühl in mir auslöst. Manchmal merke ich beim Aufschrauben allerdings, dass ein alter Sinn schlecht geworden ist dann werfe ich ihn auch weg.

Und so verbringe ich meine Tage irgendeinen Sinn zu suchen, den ich in Marmeladegläser packen kann. Ich habe schon viele Marmeladegläser, vielleicht ein paar hundert. Sie stehen alle im Schrank, ich wüsste gar nicht, ob ich sie alle aufzählen könnte.

Aber wie gesagt, Sinn ist selten, das meiste ist Blödsinn. Die Welt ist aus Blödsinn gemacht und nur ab und zu wächst ein wenig Sinn darauf. Aber wichtiger ist offensichtlich Blödsinn. Blödsinn ist der Stoff aus dem die Welt ist. Sinn ist nur die Ausnahme. Nett irgendwie, aber eigentlich auch zu nichts richtig zu gebrauchen.

Opinion makes blind

When I say, “I don’t have an opinion on anything,” people usually laugh and say, “But you have an opinion on everything.” Most regular readers of my blog seem to share this view, at least that’s what I infer from what those who do comment say.

It would be more correct to say: “More and more often I succeed in not having an opinion”. Because I can only have no opinion about something if I focus. It is impossible to be concentrated on everything. So it’s only selected things that I don’t have an opinion on, for example the things I write about in this blog. I don’t write (at least not anymore) about things I mean. Instead, I try to describe the things I see. Even if I myself disagree, even if they don’t fit my own thinking. Because I no longer give a damn about my opinion.

I have no opinion on everything that is important to me and on which I have concentrated since I learned not to have an opinion.

On everything else I still have an opinion and it is on most things.

Having an opinion seems to be the default mode of the human being, and that to the extent that the human being develops language. Language is opinion. This would also explain why opinion can be expressed so well in language, while no opinion is so difficult to express in words, and why no opinion expressed in words leads so reliably to misunderstandings.

Since I started to look at things increasingly without opinion, I see more and more. Because I not only see what I mean, but I also see what I don’t mean. And I see what I don’t mean as real as what I do mean. So I can no longer deny what I don’t want to see, nor do I want to. Because the world is much bigger and truer when I perceive not only what I mean, but also what I don’t mean, don’t think, don’t want to perceive.

And every time I succeed in seeing what I don’t mean just as well as what I do mean, opinion becomes more and more irrelevant, uninteresting, undesirable. Because opinion collapses the world to the section of one’s own opinion.

No opinion allows to see much more.

Meinung macht blind

Wenn ich sage: „Ich habe zu nichts eine Meinung“, dann lachen die Leute meist und sagen: „Aber du hast doch zu allem eine Meinung.“ Die meisten regelmäßigen Leser meines Blogs scheinen diese Ansicht zu teilen, zumindest schliesse ich das aus den Äusserungen jener, die sich äußern.

Richtiger wäre zu sagen: „Es gelingt mir immer öfter keine Meinung zu haben“. Denn ich kann nur keine Meinung zu etwas haben, wenn ich mich konzentriere. Es ist unmöglich, sich auf alles zu konzentrieren. Es sind also nur ausgewählte Dinge, zu denen ich keine Meinung habe, zum Beispiel die Dinge, über die ich auf diesem Blog schreibe. Ich schreibe nicht (zumindest nicht mehr) über Dinge, die ich meine. Ich bemühe mich statt dessen die Dinge zu beschreiben, die ich sehe. Auch wenn ich selbst anderer Meinung bin, auch wenn sie mir selbst nicht ins Denken passen. Denn ich gebe nichts mehr auf meine Meinung.

Zu allem, was mir wichtig ist und worauf ich mich, seit ich gelernt habe keine Meinung mehr zu haben, konzentriert habe, habe ich keine Meinung.

Zu allem anderen habe ich noch ein Meinung und es ist das meiste.

Eine Meinung zu haben scheint der Default-Modus des Menschen zu sein und zwar in dem Masse in dem der Mensch Sprache entwickelt. Sprache ist Meinung. Das würde auch erklären, warum Meinung sich so gut in Sprache ausdrücken lässt, keine Meinung hingegen so schwer in Worten zu fassen ist und die in Worten ausgedrückte keine Meinung so zuverlässig zu Missverständnissen führt.

Seit ich angefangen habe, Dinge zunehmend ohne Meinung zu betrachten, sehe ich immer mehr. Denn ich sehe nicht nur das, was ich meine, sondern ich sehe auch das, was ich nicht meine. Und ich sehe das, was ich nicht meine so real, wie das was ich meine. Ich kann das, was ich nicht sehen will  also gar nicht mehr verleugnen und ich will es auch nicht. Denn die Welt ist viel größer und wahrer wenn ich nicht nur das wahrnehme, was ich meine, sondern auch das, was ich nicht meine, nicht denke, nicht wahrhaben will.

Und mit jedem mal indem es mir gelingt, das, was ich nicht meine genauso gut zu sehen, wie das, was ich meine, wird Meinung immer mehr irrelevant, uninteressant, unerstrebenswert. Denn Meinung lässt die Welt auf den Ausschnitt der eigenen Meinung kollabieren.

Keine Meinung lässt viel mehr sehen.

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