LATK#1 – Wie wir Geschichten erzählen (GER)

LIFE ACCORDING TO KORSAKOW #1
Wie wir Geschichten Erzählen

(this podcast is in German)

Wie uns die Art, wie wir Geschichten erzählen blind macht, für die Welt. Ein Vortrag, den Florian Thalhofer am 11. Oktober 2016 anläßlich der #DKT16 in der Humboldt Universität in Berlin hielt. 

Music by Jim Avignon / Neoangin and Ilja Pollach, Cologne.

 

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Es gibt zwei Arten von Menschen

Die einen, die an die an die Wahrheit glauben und die anderen, die die Welt in vielen Realitäten sehen.

Die erste Art, also die, die an die Wahrheit glauben, leben in dem Bewusstsein, dass es auf jede relevante Frage eine Antwort gibt. Diese eine Antwort ist wahr und für alle gültig. Menschen der ersten Art können sich auf die Suche nach einer Wahrheit begeben, denn in ihrem Verständnis ist die Wahrheit schon da, man muss sie nur finden. Und wenn die Wahrheit bereits gefunden wurde, muss man gar nicht lange suchen, Menschen der ersten Art sind in der Lage, sich schnell die Wahrheiten anderer zu eigen zu machen. Die meisten Menschen gehören der ersten Art an.

Die zweite Art, das sind diejenigen, für die es absolute Wahrheit nicht gibt. Statt dessen gibt es verschiedenen Blickwinkel, aus denen heraus etwas betrachtet werden muss und alle diese Blickwinkel sind richtig. Und auch, wenn man die anderen Blickwinkel selbst nicht wahrnehmen kann, weiß man zumindest, dass es sie geben muss. Aus jedem Blickwinkel ergibt sich ein unterschiedliches Bild. Die Wahrheit wäre allenfalls die Summe aller verschiedenen Blickwinkel. Doch da es annähernd unendlich viele Blickwinkel gibt, die sich auch gegenseitig ausschließen können, ist die Wahrheit eher eine theoretische Idee, die es in der Realität nicht (oder nur unglaublich selten) gibt.

Vertretern der zweiten Art können sich die Wahrheiten anderer Menschen nicht ohne weiteres zu aneignen. Sie könne zwar die Wahrheit eines anderen als relevanten Blickwinkel anerkennen, doch immer erst nachdem sie auch andere mögliche Blickwinkel bedacht haben. Dieser Prozess dauert seine Zeit, daher sind Menschen der zweiten Art generell langsamer, sie müssen mehr Fragen stellen und sind kritischer gegenüber allen Vorgaben.

Wenn ein Vertreter der einen Art mit einem Vertreter der anderen spricht, ist – auch wenn sie die selbe Sprache sprechen – fast alle tiefere Kommunikation Missverständnis. Dennoch leben die beiden Arten in Symbiose und profitieren voneinander.

Vertreter der ersten Art machen ihre Gruppe stark, weil sie sich schnell auf gemeinsame Ziele einschwören lassen. Denn wenn sich erst jeder in der Gruppe eine Meinung bilden muss, ob gerade jetzt ein guter Zeitpunkt ist, das Mammut anzugreifen, ist die Chance vertan. Chancen zu ergreifen und auf Gefahren von aussen schnell zu reagieren, ist im Überlebenskampf ein entscheidender Vorteil. Das gilt heute innerhalb einer Firma genauso wie in einer Gruppe von Jägern vor 20.000 Jahren.

Warum sind dann die zögerlichen Menschen der zweiten Art nicht längst ausgestorben? Weil sie Schutz sind, gegen die Gefahren von innen: Denn was passiert, wenn die Menschen der ersten Art sich von einer törichten Wahrheit überzeugen lassen? Weil sie zum Beispiel dem falschen Führer folgen, der alle ins Unglück navigiert. In so einer Situation muss die Gruppe in der Lage sein, schnell auf eine neue Wahrheit umschwenken zu können. Doch wenn es nur eine Wahrheit gibt, ist es ein langwieriger Prozess eine neue erst suchen und finden zu müssen. Die Vertreter der zweiten Art haben jedoch, mit ihrer Pflege der vielen Blickwinkel, stets Alternativen auf Lager. Der Moment, in der sich eine Wahrheit als falsch herausstellt ist der Moment, in dem in dem sich alle Köpfe in Richtung des Narren umdrehen:

“Hattest Du nicht mal gesagt, dass…?”

TRICK – Wie man sofort glücklich sein kann

Es ist eine Übung, die so einfach ist, so banal, dass der geneigte Leser vielleicht enttäuscht sein wird. Bei mir funktioniert der Trick immer, ich mache die Übung seit einigen Monaten regelmäßig. Man braucht kein spezielles Equipment, man braucht keinen speziellen Ort. Man kann die Übung überall durchführen, in fast jeder Situation und ich könnte nicht einmal sagen, welche Umstände besonders günstig sind.

Es dauert nur wenige Augenblicke, bis sich das Glücksgefühl einstellt. Ich selbst halte die Übung nur kurz durch, obwohl sie nicht anstrengend ist. Ein paar Minuten war das längest, was ich bisher am Stück in der Übung verbracht habe.

Der Trick ist so simpel und doch so effektiv, er kostet nichts und ist so offensichtlich, dass ich mich wundere, dass ihn mir nie jemand verraten hat.

Ich bin zufällig darauf gestoßen, als ich in einem Flugzeug sass. Ich war genervt, weil sich der Start verzögerte und um mich herum lauter Chinesen saßen, die sich laut unterhielten. Da ist es passiert:

Ich habe mich auf das konzentriert, was ich gehört habe. Und ich habe es nicht interpretiert. Es ging nicht darum, zu verstehen (ich verstehe kein chinsesisch), oder zu beurteilen. Und dann bin ich hineingerutscht, ins Hören. Ich habe hineingehört, in die Geräusche um mich herum und ich fand eine unfassbare Vielfalt. Egal, wo Sie sich gerade befinden, während Sie diese Zeilen lesen: Hören sie 30 Sekunden lang bewusst hin, was um sie herum zu hören ist. Es ist wunderbar, ein Bild, das mir all die Jahre entgangen war. Man kann darin eintauchen und wenn man wieder auftaucht ist man erfrischt und beruhigt. Mir geht es so, und allen, die ich gebeten habe, es zu versuchen.

Versuchen Sie es, es kostet nichts.

TRICK – Lesen lernen I

Und dann habe ich verstanden, wie man richtig liest: Das war vor ungefähr zwei Jahren. Jahrzehntelang habe ich es nicht gewusst. Es ist ein einfacher Trick und manch einer mag ihn schon kennen. Mir hat diesen Trick leider nie jemand verraten, darum sage ich ihn jetzt jedem, der ihn hören mag.

Wenn ich früher ein Buch las, ist mir die Aufmerksamkeit oft abhanden gekommen. Meine Gedanken gingen eigene Wege, weg vom Text, immer weiter, bis meine Augen den Text lasen, während mein Hirn mit anderen Dingen beschäftigt war.

Wenn ich mich dann wiederfand, saß ich da, mit dem Buch auf einer beliebigen Seite aufgeschlagen und ich wusste nicht, was es die letzten Seiten gesagt hatten.

Das hat mich frustriert. Oft schob ich es auf das Buch – es sei langweilig oder interessiere mich nicht. Und es gab immer den Verdacht, es läge an mir – ich sei unfähig, mich richtig zu konzentrieren. Etwas an meinem Hirn sei falsch. So oder so, legte ich das Buch zur Seite und irgendwann legte ich dann alle Bücher weg. Bücher lesen war scheitern.

Der Trick ist kein Trick, er ist eine einfache Erkenntnis. Und seit ich sie kenne, lese ich ein Buch nach dem anderen: Es ist kein Fehler, seinen eigenen Gedanken zu folgen. Ganz entspannt gehe ich meinen Gedanken nach und freue mich über all die Dinge, die sie mir zeigen. Wenn die Gedanken ihren Weg gegangen sind, falle ich wie früher zurück ins Buch, in den Text. Und wenn ich die letzen Absätze nicht mehr verstanden habe, dann ist das kein Zeichen, dass ich unaufmerksam bin. Im Gegenteil, ich habe meine Gedanken wahrgenommen. Es ist kein Hinweis darauf, dass das Buch uninteressant ist. Im Gegenteil: das Buch hat mich inspiriert und meine Gedanken haben sich auf eine Reise begeben. Ich blättere zurück und lese die letzten Abschnitte erneut.

Seitdem, wie gesagt, lese ich. Vielleicht lese ich jedes Buch zwei mal, wenn ich es lese. Ohne Hast. Ohne Schuldgefühl. Und so hat mir der Trick nicht nur gezeigt zu lesen: Ich habe auch gelernt zu denken. Meinem Denken zu vertrauen, mein Hirn zu benutzen. Die Bücher sind dadurch viel besser geworden.

Zu diesem Text gibt es ein Follow-Up.

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“Was willst Du eigentlich damit sagen?”

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Da, wo ich herkomme, wird interpretiert, was einer sagt. Was einer  meint, wenn er sagt, was er sagt. Was einer eigentlich meint. Weil man eigentlich immer vermutet, dass jemand insgeheim einen Plan verfolgt und das, was er sagt, nur deshalb sagt, weil er dahin kommen will, an sein eigentliches Ziel.

Politikern unterstellt man so etwas oft. Man denkt, dass ein Politiker nicht die “Wahrheit” sagt, sondern, dass ein Politiker einen Plan verfolgt, den er jedoch für sich behält. Der Plan ist geheim, doch auf dem Weg zu seinem Ziel redet der Politiker die ganze Zeit. Das, was er sagt, ist jedoch  strategisch, es soll die anderen im Glauben halten, sie manipulieren, dem geheimen Plan des Politikers zu dienen.

Auch Brüder unterstellen einander gerne, dass sie einen Plan verfolgen, und eben nicht sagen, was sie denken.

Viele betreiben es, wie einen Sport, den geheimen Plan zu entschlüsseln, das Ziel zu erkennen. Dieses vermeintliche Ziel im Kopf, wird dann das, was der Politiker (oder der Bruder) sagt, interpretiert.

Und plötzlich bekommt das gesagte einen ganz anderen Sinn.

Ich will gar nicht sagen, dass es nie passiert, dass ein Politiker einen verborgenen Plan hat und auf dem Weg, zu dem nur ihm bekannten Ziel, alle anderen mit Worten einseift. Doch ich bin sicher: es ist die Ausnahme. Wer schon einmal versucht hat, über längere Zeit einen Schwindel zu betreiben, weiß, wie kompliziert es ist, die Bälle in der Luft zu halten.

Und was ist, wenn der Beobachter ein falsches Ziel, als das vermeintliche, geheime erkennt? Wenn er überzeugt ist, zu wissen, was der Politiker (der Bruder, die Schwester, die Ehefrau, die Mutter, das Kind, die Werbung, das System) eigentlich im Schilde führt, tatsächlich damit aber falsch liegt? Was vermutlich die Regel und nicht die Ausnahme ist – denn das Ziel ist ja geheim und um die Verschleierung aufzudecken, müsste man ja noch viel schlauer sein, als der Politiker (…).

Es ist nicht unmöglich, jedoch höchst unwahrscheinlich, dass die Strategie des Entdeckens der geheimen Ziele, die richtigen Ziele aufdeckt.

Kurioser Weise, betreiben die, die geheime Ziele vermuten, gerne selbst die Strategie der strategischen Worte. Setzen also, dem vermuteten geheimen Ziel, ein eigenes geheimes Ziel entgegen und versuchen das Umfeld mit Worten so zu beeinflussen, dass es in ihre Richtung geht.

Spätestens dann wird es unüberschaubar kompliziert und verwirrend.

Unser Hirn kennt jedoch einen einfachen Trick, eine solche Situation wieder zu entwirren: Wer einen Schwindel baut und ihn immer wieder sagt, fängt früher oder später an, seine eigenen Worte zu glauben. So oder so, ob also das Gesagte von vorne herein wahr war, oder lediglich aus strategischen Gründen gesagt wurde: Irgendwann ist das Gesagte das Gemeinte.

Es ist für unsere einfachen Hirne viel zu kompliziert ein einfaches oder gar doppeltes Lügengebäude aufrecht zur erhalten. Unser Hirn funktioniert pragmatisch: Das Lügengebäude und alle Worte, die zu seiner Errichtung gedient haben, werden im Verlauf der Zeit, zur inneren Wahrheit.

Deshalb bin ich dazu übergegangen, den Worten zu glauben. Auf das zu hören, was jemand sagt und mich nicht von dem ablenken zu lassen, was ich denke, was eigentlich gemeint sein könnte.

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