Da, wo ich herkomme, wird interpretiert, was einer sagt. Was einer meint, wenn er sagt, was er sagt. Was einer eigentlich meint. Weil man eigentlich immer vermutet, dass jemand insgeheim einen Plan verfolgt und das, was er sagt, nur deshalb sagt, weil er dahin kommen will, an sein eigentliches Ziel.
Politikern unterstellt man so etwas oft. Man denkt, dass ein Politiker nicht die “Wahrheit” sagt, sondern, dass ein Politiker einen Plan verfolgt, den er jedoch für sich behält. Der Plan ist geheim, doch auf dem Weg zu seinem Ziel redet der Politiker die ganze Zeit. Das, was er sagt, ist jedoch strategisch, es soll die anderen im Glauben halten, sie manipulieren, dem geheimen Plan des Politikers zu dienen.
Auch Brüder unterstellen einander gerne, dass sie einen Plan verfolgen, und eben nicht sagen, was sie denken.
Viele betreiben es, wie einen Sport, den geheimen Plan zu entschlüsseln, das Ziel zu erkennen. Dieses vermeintliche Ziel im Kopf, wird dann das, was der Politiker (oder der Bruder) sagt, interpretiert.
Und plötzlich bekommt das gesagte einen ganz anderen Sinn.
Ich will gar nicht sagen, dass es nie passiert, dass ein Politiker einen verborgenen Plan hat und auf dem Weg, zu dem nur ihm bekannten Ziel, alle anderen mit Worten einseift. Doch ich bin sicher: es ist die Ausnahme. Wer schon einmal versucht hat, über längere Zeit einen Schwindel zu betreiben, weiß, wie kompliziert es ist, die Bälle in der Luft zu halten.
Und was ist, wenn der Beobachter ein falsches Ziel, als das vermeintliche, geheime erkennt? Wenn er überzeugt ist, zu wissen, was der Politiker (der Bruder, die Schwester, die Ehefrau, die Mutter, das Kind, die Werbung, das System) eigentlich im Schilde führt, tatsächlich damit aber falsch liegt? Was vermutlich die Regel und nicht die Ausnahme ist – denn das Ziel ist ja geheim und um die Verschleierung aufzudecken, müsste man ja noch viel schlauer sein, als der Politiker (…).
Es ist nicht unmöglich, jedoch höchst unwahrscheinlich, dass die Strategie des Entdeckens der geheimen Ziele, die richtigen Ziele aufdeckt.
Kurioser Weise, betreiben die, die geheime Ziele vermuten, gerne selbst die Strategie der strategischen Worte. Setzen also, dem vermuteten geheimen Ziel, ein eigenes geheimes Ziel entgegen und versuchen das Umfeld mit Worten so zu beeinflussen, dass es in ihre Richtung geht.
Spätestens dann wird es unüberschaubar kompliziert und verwirrend.
Unser Hirn kennt jedoch einen einfachen Trick, eine solche Situation wieder zu entwirren: Wer einen Schwindel baut und ihn immer wieder sagt, fängt früher oder später an, seine eigenen Worte zu glauben. So oder so, ob also das Gesagte von vorne herein wahr war, oder lediglich aus strategischen Gründen gesagt wurde: Irgendwann ist das Gesagte das Gemeinte.
Es ist für unsere einfachen Hirne viel zu kompliziert ein einfaches oder gar doppeltes Lügengebäude aufrecht zur erhalten. Unser Hirn funktioniert pragmatisch: Das Lügengebäude und alle Worte, die zu seiner Errichtung gedient haben, werden im Verlauf der Zeit, zur inneren Wahrheit.
Deshalb bin ich dazu übergegangen, den Worten zu glauben. Auf das zu hören, was jemand sagt und mich nicht von dem ablenken zu lassen, was ich denke, was eigentlich gemeint sein könnte.