SILVESTER

2016-01-Feuerwerk4

An Silvester ist der Teufel ängstlich. Die guten Menschen ziehen durch die Straßen und werfen mit Böllern und schießen Feuerwerkskörper in die Luft. Das macht dem Teufel Angst. Das macht mir Angst. Der Teufel und seine Hexen ziehen sich zurück und suchen Schutz. Die guten Menschen sind auf der Jagd. Die guten Menschen. Die guten Menschen sind nicht gut. Sie ziehen marodierend durch die Straßen. Die guten Menschen haben die Geschichte von den guten Menschen und vom Teufel geschrieben. Es ist Propaganda. Die Teufel und die Hexen sind die, die die Menschen lieben und sich darum bemühen, sie zu verstehen. Die Teufel und Hexen wollen im Einklang mit sich und der Natur leben.

Wie ich das erste mal bemerkte, dass jeder die Welt anders sieht

2015-12-Brille

Es war wohl in der 9. oder 10. Klasse. Ich saß im Physikunterricht in der vierten oder 5. Reihe. Der Lehrer schrieb etwas an die Tafel. Ich meldete mich und sagte, dass ich es nicht verstehe. Was bedeutete die Formel Rfmgt = 3 grt? Die ganze Klasse lachte. Der Lehrer war wütend. “Mann, Du brauchst eine Brille!” sagte ein Mitschüler, der wohl einen klaren Moment hatte. Er hielt mir eine Brille hin, die er von seiner Banknachbarin genommen hatte. Das war als Witz gemeint und steigerte die allgemeine Aufgeregtheit. Einem Witz niemals abgeneigt, ergriff ich die Brille und setzte sie mir auf die Nase.

Dann flippte ich aus.

Wie sich viel später herausstellte, war die Stärke der Brille fast haargenau die Stärke, die ich brauchte. Das war natürlich Zufall. Was aber passierte war, dass ich, mitten im Physikunterricht und völlig unvorbereitet, die Welt gänzlich neu sah. Wenn ich etwas außergewöhliches erlebe, macht mein Hirn ein Foto, das es dann auf immer speichert. Auf dem Bild zu sehen: Das mit roten Dachpfannen gedeckte Dach des Nachbarhauses der Schule. Die feinen Linien, die die einzelnen Dachpfannen gegeneinander abgrenzten, die vielen Rots, nicht mehr nur einfach ein rotes Dach. Ich war fasziniert und drückte das auch begeistert aus. “Wow, das Dach, schau dir mal das Dach an, wie schön das ist!” Wenn mir in diesem Moment schon klar gewesen wäre, dass das, was ich zum ersten mal (oder seit langer, langer Zeit zum ersten mal) sah, alle anderen immer sahen, hätte ich wohl geschwiegen. Aber für den Augenblick war ich einfach zu aufgeregt.

Für Herrn Schickram, meinen Physiklehrer, war mein Benehmen nur ein weiterer Beweis, dass ich ein Unruhestifter war. Und irgendwie, aber ganz anders, hatte er damit auch recht.

Korsakow and all – Interview in Portugal

Entrevista a Florian Thalhofer

Florian Thalhofer is a Berlin-based Artist. He is a documentary filmmaker and the inventor of Korsakow, a software to create a new kind of film and a principle to create a new kind of story. Thalhofer is currently working on a new Korsakow-project (film, show and installation).

Interview by Manuel José Damásio @ Universidade Lusófona.
Recorded Dec 4, 2014

Originaly posted here: http://www.ulusofona.pt/lessons/florian-thalhofer

Kunst ist nicht Design

Die Frage, was Kunst und was Design ist, hat mich früher oft irritiert. Dabei ist es eigentlich ganz einfach.

DESIGN

Beim Design geht es um die Kommunikation eines Auftraggebers mit dem Publikum. Der Auftraggeber einer Werbung für Turnschuhe, beispielsweise, möchte dem Publikum vermitteln, dass es bestimmten Schuhen Wertschätzung entgegenbringen soll. Das Design der Werbung, zusammen mit dem Design des Produkts, soll erreichen, dass das Publikum diese Schuhe kauft, oder die Trägern dieser Schuhe beneidet.

Oder: der Auftraggeber für die Beschilderung eines Flughafens möchte, dass das Publikum sich auf dem Flughafen nicht verloren vorkommt. Gutes Design ist konzentriert und effektiv. Das beste Design ist das, was sein Ziel so effektiv wie möglich erreicht. Wenn also das Ziel eines Turnschuhherstellers ist, seine Produkte als cool und jugendlich darzustellen, dann ist das Design das beste, dass dieses Ziel am direktesten erreicht. Wenn der Betreiber eines Flughafens die Flugpassagiere auf haarsträubenden Umwegen (und an möglichst vielen Flughafenshops vorbei) zu ihrem Flugsteigen leiten möchte, ohne das sich die Passagiere verwirrt oder veräppelt vorkommen, dann ist das Design das beste, das eben dieses Ziel erreicht. Im Falle des Flughafens ist also das beste Design nicht das, was die Passagiere am schnellsten zum Ziel bring. Das wäre aus Sicht der Passagiere sicherlich wünschenswert, deckt sich aber oft nicht mit den Interessen des Flughafenbetreibers und der ist es, der die Beschilderung in Auftrag gibt.

Design dient dem Auftraggeber.

Der Designer stellt sich in dessen Dienst.

Das beste Design ist das, was das Ziel des Auftraggebers am effektivsten erfüllt.

KUNST

Ziel von Kunst ist es, das Publikum zu inspirieren. Es zum Denken anzuregen. Nicht das Publikum als ganzes, sonder jedes einzelne Individuum (wenn es sich darauf einlassen möchte, oder kann). Es geht in der Kunst nicht darum, vorzugeben, was der Betrachter denken sollen (das wäre Design) sondern einen ergebnisoffenen Denkprozess anzuregen. Es gibt Gemeinsamkeiten: Kunst und Design streben nach der effektivsten Form der Kommunikation und arbeiten meist mit den gleichen Materialien. Doch es gibt Unterschiede: Design möchte so effektiv wie möglich ein vorgegebenes Ziel erreichen, Kunst darf kein konkretes Ziel haben und strebt allgemein Inspiration an. Bei dem Design ist da, was im Kopf des Betrachters vorgehen soll eng umrissen, bei der Kunst ist der Bereich dessen, was im Kopf des Betrachters vorgehen kann, viel, viel weiter.

Kunst hat kein vorgegebenes Ziel sondern möchte so effektiv wie möglich inspirieren.
Auch Kunst arbeitet mit den Mitten der Kommunikation. Es geht um die Kommunikation mit dem Publikum. Man könnte nun meinen, es geht um die Kommunikation des Künstlers mit dem Publikum. Doch darum geht es nicht. Ginge es darum könnte man sagen, der Künstler definiert das Ziel und beauftragt dann einen Designer der die effektivste Form findet, um eben dieses Ziel zu erreichen. Der Künstler würde also Auftraggeber des Designers und dies eventuell in Personalunion(*). Der Künstler ist demnach nicht derjenige, der mit dem Publikum kommuniziert, da er sonst lediglich in die Rolle des Auftraggebers in einem Designprozess tritt.

Wer oder was ist es dann, der mit dem Publikum in Kommunikation tritt?

Es ist die Kunst selbst. Also das Werk (es kann ein Bild sein, ein Musikstück, ein Text, ein Tanz). Es geht nicht um den Künstler. Das Werk muss für sich selbst stehen können. Es muss die Kraft haben, die ein Kunstwerk ausmacht: Die Kraft, den Betrachter zu inspirieren.

Kunst unterwirft sich nicht dem Ziel eines Auftraggebers. Kunst geht über das hinaus, was der Künstler ist oder denkt. Kunst inspiriert (zu freier Assoziation). Design animiert (zum Kauf, zum Spende, zum sich gut fühlen, zum Orangen auspressen (**)).

Bei beidem geht es um Kommunikation mit einem Publikum.

Bei beidem, Design und Kunst gilt, dass die Kommunikation so effektiv wie möglich sein muss. Bei beidem ist ein Qualitätsmerkmal: Kein Firlefanz, keine Ablenkung vom Eigentlichen.

(*) Sicherlich wird heutzutage vieles, was als Kunst verkauft wird nach diesem Muster produziert. Diese Kunst arbeitet in dem Bereich, in dem sich Design und Kunst überlappen, es lässt sich vortrefflich darüber streiten, ob es sich um Kunst oder Design handelt. (Und so lange diese Diskussion als hinreichend inspirierend empfunden wird, ist es wohl Kunst).

(**) Zb. beim Produktdesign.

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