Große und kleine Tiere

Es mag am katholische liegen, oder daran, dass man ganz allgemein an Gott glaubt, ans Himmelreich, wo man unbedingt hinkommen will und wo ein Kamel durchs Nadelöhr passen muss. Da wo ich herkomme hat man es sich jedenfalls zur Angewohnheit gemacht, sich klein zu machen. Allerdings nur denjenigen gegenüber, die größer sind. Man gibt sich bescheiden und stellt im Zweifelsfall sein Licht unter den Scheffel. So habe ich es von meinem Vater gelernt.

Im Ausgleich zeigt man, was man ist, gegenüber denen, die kleiner sind – oder allerhöchstens gleich groß. Gegenüber den Nachbarn, zum Beispiel, oder gegenüber den Mitarbeitern. Man mäht den Rasen, zeigt sich am Sonntag im Anzug, stellt sich ein frisch gewaschenes Auto vor die Tür. „Was sollen sonst die Nachbarn denken?“, war immer die Frage. „Was will man, dass die Nachbarn über einen denken?“ wäre die richtige Frage gewesen. Und man wollte: bloss keine Schwäche zeigen!

Doch das ist eine törichte Strategie. Erst viel, viel später und erst lange nachdem ich den Glauben an Gott abgelegt hatte und auch nicht mehr insgeheim ins Himmelreich wollte, habe ich erkannt: man sollte es genau anders herum halten. Sich groß gegenüber denen machen, die groß sind. Gegenüber den Doktoren, den Professoren, all jenen, die klüger sind als man selbst. Man sollte sich groß machen denjenigen gegenüber, von denen man lernen will. Nicht, dass man sich aufblasen sollte, denn wer übertreibt wirkt lächerlich und wird nicht ernst genommen. Man sollte sich zeigen, so wie man ist. Seine Stärken hervorheben und stark genug sein, die Schwächen nicht kaschieren zu wollen, sondern sie statt dessen weithin sichtbar machen.

Das Zeigen der Stärken öffnet die erste Tür: Zu denen, die sich entscheiden müssen, wem sie ihre Aufmerksamkeit schenken wollen. Denn denen gegenüber muss man sich erst sichtbar machen. Man muss sie erst einmal überzeugen, dass es sich lohnt, überhaupt die Aufmerksamkeit auf einen zu richten.

Die Schwächen zu zeigen hingegen öffnet die zweite Tür: Man ermöglicht es denen von denen man lernen will zu erkennen, wo sie am effektivsten helfen können.

Den Kleinen gegenüber sollte man sich hingegen bescheiden geben. So, dass sie nicht eingeschüchtert und ohne Bedenken ehrlich sprechen können.

Wenn das gelingt kann man von allen lernen, von den großen und von den kleinen Tieren.

Blödsinn

Die Alten verstehen nicht, was die Jungen da machen. Und weil die Alten in ihrem langen Leben schon so viel gelernt haben und so viel wissen und all das Wissen trotzdem nicht recht erklären kann, was die Jungen machen, sind die Alten einen Augenblick ratlos. Und dann erklären die Alten das, was die Jungen da machen zu Blödsinn.

Die Jungen können auch nicht nicht so recht erklären, was sie da tun. Die Jungen haben noch nicht die richtigen Worte gefunden. Denn die richtigen Worte zu finden, um etwas neues, also etwas, was es vor kurzem noch gar nicht gab, zu beschreiben, dauert lange. Es dauert Jahre und Jahrzehnte. Die Jungen können also noch gar keine Worte haben, um das Neue zu beschreiben. Doch die Jungen spüren, dass das, was sie da machen, kein Blödsinn ist.

Sie haben nur die Worte nicht, um das den Affen zu erklären, die Worte brauchen um zu verstehen.

Die Kinder sind weiser als ihre Eltern

Die Generation der Kinder ist weiser als die der Eltern. Die Kinder sind in der Lage komplexere Zusammenhänge wahrzunehmen und deren Dringlichkeit zu verstehen. Und nicht nur das, die Kinder besitzen auch die Fähigkeiten, sich so zu organisieren, dass sie weltweite Aufmerksamkeit auf die von Ihnen erkannten Probleme lenken können um Handlungsdruck zu erzeugen.

Die Alten haben nie recht verstanden, was es mit MySpace, Facebook, Instagram, YouTube oder Snapchat auf sich hat. Auf einmal wird klar, was die Kinder bewegt, sich derart intensiv mit dem Internet und all den neuen Medienformen zu befassen. Warum Teenager kreischend YouTube-Influencer verehren, die über Schminktips und anderen Nonsens zu Ruhm gelangten. Es geht gar nicht darum worüber die Influencer sprechen, das faszinierende ist, wie sie es tun. Einigen Kids gelingt es besonders gut über die neuen Kommunikationsmedien rüberzukommen als anderen. Und diejenigen, denen es am besten gelingt, werden zu Vorbildern. Die Stars haben etwas voraus, von dem die anderen lernen können. Und so haben die Kinder innerhalb weniger Jahre die Fähigkeiten entwickelt, über elektronische Medien in einer Intensität zu kommunizieren, wie noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte.

Kommunikation ist Informationsaustausch. Und der funktioniert in beide Richtungen. Das ist den Kids auf Anhieb klar, wir Alten mussten auf Universitäten gehen, um das als theoretisches Wissen zu lernen. Die Kids benutzen das Netz, das es zu unserer Zeit noch gar nicht gab, nicht nur als Sendeeinrichtung, über das sich millionenfaches Publikum erreichen lässt, sondern auch als Quelle, aus der sie ihre Informationen ziehen. Und auch darin sind sie den Alten haushoch überlegen. Während sich das gros der Alten noch in Echo-Chambers verfängt, was dazu führt, dass die am lautesten schreienden Idioten zu politischen Führern erkoren werden, nutzen die Kids (die selbst noch zu jung zum Wählen sind) das selbe Netz, um sich ein umfassenderes Verständnis für die Belange der Welt anzueignen.

Ich spreche hier nicht von dem einen Kid, das Sie im Kopf haben, das den ganzen Tag vor dem Rechner sitzt und nur Computerspiele spielt. Ich spreche hier von der Gesamtheit der Kids, die auch vernetzte Computerspiele zu spielen gelernt haben und nun in der Lage sind, das Netz auf eine Art zu nutzen, die uns Alten nach wie vor unbegreiflich ist. Statt mit vernetzten Computern spielten wir als Kinder mit Legosteinen und wurden prima Ingeniere.

Mit der Technik, die die Ingenieure der Elterngeneration gebaut hat, entwickeln die Kids heute das Bewusstsein, die grossen anstehenden Probleme zu erkennen, von den unwichtigeren Themen zu unterscheiden und in gebotener Eile zielgerichtet zu agieren. Und aus Sicht eines Vertreters der Elterngeneration kann ich nur staunen, wie rasend schnell die Kids es geschafft haben, Vertreter aus ihren Reihen zu küren und in kürzester Zeit mit derart viel Bedeutung aufzuladen, dass sie befähigt sind, in den höchsten Gremien der Welt die gemeinsamen Belange zu vertreten. Und das nicht nur auf Augenhöhe (was an sich schon bemerkenswert genug wäre) – diese Vertreter mit sind mit ihren 16 Jahren klüger, bedachter und in jeder Hinsicht weiser als die Vertreter der Generation, der die Welt offenbar gerade aus dem Ruder läuft.

autopilot

I have been using an autonomous system for quite some time. I get on my motorcycle, go whereever I want to go and focus on what is currely on my mind. These are mostly complicated things that take all my attention.

Especially when I’m driving a route I’ve driven before. Only when I drive a new route, every now and then the autopilot calls for attention to ask if it should turn right or left. The autopilot does the rest. Including occasional arguments with other motorists when I’m in Berlin.

Meanwhile my brain is busy with something else. Podcasts from the New York Times for example, the Washington Post or Sam Harris.

Riding the motorcycle is done by the autopilot.


Excerpt from “Codonaut – Where do we program ourselves?”, a Korsakow film about artificial intelligence. Go to codonaut.de to see the film.

Autopilot

Ein selbstfahrendes System habe ich schon lange. Ich steige auf mein Motorrad, fahre irgendwohin und denke über das nach, womit ich mich gerade beschäftige. Das sind meist komplizierte Dinge, die all meine Aufmerksamkeit in Beschlag nehmen.

Vor allem, wenn ich eine Strecke fahre, die ich schon oft gefahren bin. Nur wenn ich eine neue Strecke fahre, klingelt ab und an der Autopilot beim Bewusstsein an, um zu fragen, ob er jetzt rechts oder links abbiegen soll. Den Rest erledigt der Autopilot. Inklusive gelegentlichen Streitereien mit anderen Verkehrsteilnehmern, wenn ich in Berlin unterwegs bin.

Mein Hirn beschäftigt sich derweil mit irgendetwas anderem. Podcasts der New York Times zum Beispiel, der Washington Post oder von Sam Harris.

Motorradfahren tut der Autopilot.


Auszug aus “Codonaut – Wohin programmieren wir uns?”, einem Korsakow-Film über Künstliche Intelligenz. Der Film ist hier zu sehen: codonaut.de

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