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nyc-james02

Williamsburg, 11. Juni 2005

James hat sich einen Deckenventilator gekauft. Der Ventilator soll da hin, wo vorher die Lampe war. Ich stehe mit Rat und die Taschenlampe haltend zur Seite. Alte Pappe und Elektokabel-Isolation broeselt von der Decke. Ich habe in Berlin auch schon Altbauwohnungen renoviert. So etwas habe ich noch nicht gesehen. Nackter Draht kriecht aus dem Dunkel der Zwischendecke. Ich kann es mir nicht verkneifen: “Also der Deuschen Industrie Norm entspricht das ja wohl eher nicht”, sage ich zu James, und bereue es sofort. Ich bin so ein Spiesser…

Leuchtschrift

Wuensdorf-Waldstadt, 7. Juni 2005

“AUS DEN WAELDERN RUND UM DIE WALDSTADT *** PROBIEREN SIE UNSERE SELBSTGENACHTE ROTE GRUETZE *** 3,20 EURO” eine rote LED-Anzeige haengt ueber der Bar. Joerg hat mich hierhergeschickt. Eine ehemalige russische Kaserne, 40km vor Berlin, riesengross und voellig verfallen und jetzt weiss keiner, was man damit anfangen soll. Betreten verboten steht auf gelben Schildern. Und es steht auch dabei, warum. Weil die Gebaeude einstuerzen und der Wald voll ist von ungesicherten Bunkeranlagen, und Munitionsresten. Ich stapfe ziellos einen Waldweg entlang. Meine Nichte Luisa hatte gestern ihren 16. Geburtstag. Verdammt, und ich habe wieder vergessen anzurufen… Ich fummle mir mein Telefon aus der Tasche. Nachdem es aufgehoert hat zu regnen ist es heiss in meinen Motorrad-Klamotten. Kein Empfang. Der Plan ist, Ostdeutschland kennenzulernen. Mit ganz normalen Menschen sprechen. Menschen, die nicht aus meiner Welt kommen. Keine Kuenstler, Musiker, Filmemacher, Studenten. Ich moechte mit Bauarbeitern reden, Verkaeufern, Apothekern, Neonazis. Ich habe unter meinen Bekannten herumgefragt, ob jemand einen normalen Menschen in Ostdeutschland kennt. Es ist schwierig. Normale Menschen sind selten.