Leben in der Vergangenheit

Auf der Reise in Kanada und den USA, Nov 2013

Ich erinnere mich:
In den 90er Jahren wollte ich keine alte Musik hören. Ich wollte meine Zeit nicht mit Oldies im Radio verschwenden und womöglich etwas neues verpassen.

Ich erinnere mich:
Ungefähr um die Jahrtausendwende herum wünschte ich mir, dass nichts mehr erfunden werden würde. Dass keine neuen Bücher geschrieben würden, dass keine neuen Musiken mehr aufkämen, dass keine neuen Filme mehr gemacht werden. Um Zeit zu haben, all das zu sehen, zu lesen, zu hören, zu begreifen, was schon da ist.

Genau das ist geschehen. Heute wird das Vergangene reproduziert, neu gemischt, wiedergespielt und die Lücken, die gelassen wurden, werden gefüllt. Die Lieder, die früher schon hätten gesungen werden können, werden gesungen. Wie in einer nicht enden wollende Gruppentherapiesitzung, in der das Vergangene immer wieder aufgerührt wird.

Wahrscheinlich ist es genau das: Wir versuchen zu verstehen, was wir getan haben. Wir versuchen uns bewusst zu werden.

Wie wird sich die jetzige Epoche in der Zukunft einordnen lassen? Es wird die Zeit sein, in der nichts neues erfunden wurde. Und es ist die Zeit, in der alle in der Vergangenheit gemachten Kulturleistungen gleichzeitig in die Gegenwart gebracht wurde. Ein gewaltiges Unterfangen.

Aus dem Blickwinkel der kommenden Epoche wird dies klar sichtbar sein.
Doch was wird diese kommende Epoche sein?

[to be continued]

Auf dem Weg zum Flughafen

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Atlanta, Nov. 2013

Gerade als ich zu verstehen begann, in Amerika zu sein, war ich schon wieder weg.

Gut fürs Gras?

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Montreal, Nov. 2013

Wer tut dem Gras mehr weh? Menschen, die das Gras betreten oder Menschen, die Wege über das Gras pflastern?

Wahrheit

Es gibt so viele Wahrheiten, wie Betrachter.

Kaffemaschine

Berlin, Nov. 2013

Erfolg drückt sich in Symbolen aus. Es mag Branchen geben, wo man ein großes Auto liebt, oder vielleicht Hubschrauber. In meinem Bereich als Gestalter, als Filmemacher und Künstler sind es Kaffeemaschinen. Die Werbeagentur, in der ich vor fast 20 Jahren nach der Schule ein Praktikum machte, die Agentur und Kunstfoundation in Amsterdam, bei denen ich lange Jahre ein und aus ging: alle verfügten über riesige, chromblitzende Kaffeestationen. Und ich erinnere mich, wie enttäuscht ich war, dass die Produktionsfirma meines letzten und bisher einzigen Filmes lediglich eine einfache Kaffeepadmaschine nebst separatem und umständlichem Milchaufschäumer in der Küche stehen hatte.

Ich schreibe das, weil es mir bis vor wenigen Tagen gar nicht bewusst war. Der Kaffee, den ich bei der Filmproduktionsfirma angeboten bekam, war nur der Hauch einer Enttäuschung, ein flüchtiger Gedanke, der sich in der Aufregung, die an diesem Ort herrschte (es ging um meinen Film!) so rasch verflog, dass ich ihn kaum bemerkte.

Ein Thema verfolgt mich in letzter Zeit. Es ist die Frage: “Was habe ich aus meinem Leben gemacht?”. Ich bin Anfang 40, ich habe an einer Kunsthochschule studiert, ich Reise in der ganzen Welt herum, bekomme Interviewanfragen bis aus Australien, mein Name steht in zahlreichen Büchern. Doch leben kann ich davon nicht. Meinen Unterhalt verdiene ich zum Großteil mit eben jenem Job, den ich schon seit Studentenzeiten mache. Ich habe es nie geschafft, meinen Erfolg finanziell umzusetzen und wie mein Vater es vor Jahren formulierte: “Du musst Dir irgendwann mal Gedanken machen, ob das, was Du machst, Sinn macht. Finanziell und überhaupt.” Nun ist mein Vater Steuerberater mit wenig Sinn für Dinge, die sich nicht in Geld ausdrücken lassen. Doch mein Vater ist eben auch mein Vater und auch, wenn ich mich annähernd zwei Jahrzehnte an Institutionen des Intellekts herumgetrieben habe, das Fundament meiner Selbst steht auf dem, was in einer Kleinstadt, als Sohn eines Steuerberaters, gewachsen ist. Die Wucht seiner Sätze traf mich mit Verzögerung, wie man so oft Nachhaltiges gar nicht unmittelbar bemerkt.

Ich zog mir den Pfeil aus der Brust, die Wunde, die er geschlagen hatte, war nicht groß, doch das Gift wirkte langsam. Zwei oder drei Jahren versuchte ich verkrampft kommerziell erfolgreich zu sein. Ich hatte plötzlich mit Banken, Beratern und Anwälten zu tun und steckte meine Energie in Dinge, in denen meine Talente nicht liegen. Um Geld zu haben, das ich nur brauche, um Dinge zu kaufen die mir erzählen, dass ich auf dem richtigen Weg bin.

„Kaffeemaschine irgenwer?“

Mein Freund Dieter liebt es, kurze Emails zu schreiben. Die Email ging an mich und Undisclosed Recipients.

„Welcher Typ, wie teuer?“ imitierte ich seinen Stil.

Zurück kam ein Link und das Wort „umsonst“.

„Gekauft!“ antwortete ich. Erst dann klickte ich auf den Link.

Der Link führte auf eine Amazon-Seite auf der das Gerät beschrieben war. Es ist eine Agenturkaffeemachine vom feinsten. So ein Ding, wie ich es mir niemals werde leisten können. Das Gerät ist fünf mal mehr wert, als mein Auto, wenn es aufgetankt ist.

Das Symbol des Erfolgs steht jetzt in meinem Atelier. Umsonst.

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