Trump will be forgotten

Fasziniert vom Getöse des Augenblicks schenkt das Publikum derzeit einer Figur ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit: Donald Trump. Er ist aufregend, spektakulär und extrem Kontrovers. Und mit diesen Talenten scheitert er gerade grandios. Doch hinter dem Staub, den Trump aufwirbelt, vollzieht sich fast unbemerkt eine gewaltige Entwicklung. Doch wie oft bei tiefgreifenden Veränderungen, geht sie langsam vonstatten, so dass sie kaum wahrnehmbar ist. Wie wenn der Mond über den Himmel zieht und man mit dem Auge keine Bewegung wahrnimmt.

2016_trump

Die in sich zusammenstürzende Trump-Kampagne ist aller Voraussicht nach das spektakuläre Ende eines lange bestehenden Prinzips. Mindestens seit Ronald Reagan galt das Rezept der einfachen Story, als das erfolgsversprechendste, um viele Menschen einzusammel. Es ist das Hollywoodprinzip – die Welt in Gut und Böse einzuteilen, in richtig und falsch.

Dieses Prinzip wurde über die Jahre immer weiter entwickelt, immer stärker und immer radikaler. Politiker sind erfolgreich – so heisst es – wenn sie es schaffen, gute Geschichten zu erzählen. Gute Geschichten sind spannende Geschichten, klare Geschichten, die es einfach machen, Gut und Böse zu unterscheiden und in denen am Ende das Gute gewinnet.

Die Welt in gut und böse / richtig oder falsch aufzuteilen, hat einen bedeutenden Vorteil: Es macht auch komplexe Zusammenhänge einfach verständlich. Es hat allerdings einen entscheidenden Nachteil: Die Welt funktioniert nicht nach dem Prinzip richtig oder falsch. Der Nachteil macht den Vorteil zunichte. Die gute Geschichte hat mit der Realität der komplexen Welt, nichts zu tun. Deren Einfachheit ist eine Fabrikation und führt zu falschen oder bestenfalls zufälligen Entscheidungen.

Drei Beispiele des Prinzips der einfachen Geschichte und den daraus resultierenden Entscheidungen:

USA Irak Krieg
Saddam Hussain ist das Böse, vor dem die Welt bewahrt werden muss. Diese Geschichte verfing nicht nur bei Amerikanern. George W. Bush konnte weite Teile der Welt überzeugen, ihm in einem Krieg zu folgen, der immenses Leid auslöste. Saddam Hussain wurde getötet, doch Frieden gab es nicht. Die Welt ist komplex, das Problem hat sich in ein noch größeres verwandelt.

UKBrexit
Die Europäische Union ist ein äusserst komplexes Gebilde, das über Jahrzehnte von intelligenten und visionären Köpfen erdacht wurde. In Grossbritannien haben es Politiker geschafft, die EU als eine einfache Geschichte darzustellen. So einfach, dass man darüber mit JA oder NEIN abstimmen konnte. Wohl kaum ein Bürger in Großbritannien hat sich von dieser Wahl überfordert gefühlt. Das Ergebnis der Wahl wahr annähernd 50/50 mit einem kleinen Vorteil für NEIN. Man hätte auch eine Münze werfe können.

KOLUMBIENReferendum über den Friedensvertrag
Der in jahrelangen Bemühungen ausgehandelte Friedensvertrag, der den seit über 50 Jahren währenden Guerillakrieg beenden sollte, den die Regierung und die Rebellen gegeneinander führen, wurde dem Volk zur Wahl vorgelegt.

JA oder NEIN.

Die Medien in Kolumbien haben daraufhin das getan, was Medien in den vergangenen Dekaden gelernt haben: aus einer komplizierten Geschichte eine einfache zu machen. Sie haben die Story in den Extremen erzählt.

Krieg ist eine komplexe Sache, Frieden ist es um so mehr.

Das Ergebnis der Wahl wahr annähernd 50/50 mit einem kleinen Vorteil für NEIN. Man hätte auch eine Münze werfe können.

Nach acht dunklen Jahren George W. Bush hat Obama Amerika zurück ans Licht geführt. In den USA werden wieder Visionen entwickelt, es wird ein vielschichtiges Denken gepflegt, vermutlich mehr als in irgendeinem anderen Land auf dieser Erde.

Hillary Clinton wird aller Voraussicht nach Obama nachfolgen und kann auf seinem Erbe aufbauen. Auf den ersten nicht-weißen US-Präsidenten folgt die erste Frau. Es gibt viele Gründe hoffnungsfroh in die Zukunft zu blicken. In den USA findet seit langem eine faszinierende Entwicklung statt – das Pendel ist umgeschwungen. Mir ist dies erstmals Mitte 2015 aufgefallen: Die USA wird gerade wieder zum Land der Visionen.

Das scheint im Moment allerdings niemand so zu sehen. Alle Aufmerksamkeit gilt dem Kandidaten der Republikanischen Partei, Donald Trump. Doch was sich in Trump derzeit manifestiert, ist der vermutlich totale Zusammenbruch eines beschränkten Denkens. Reagan, Bush I, Bush II waren Präsidenten, die glaubten, die Wahrheit zu kennen. Sie haben die Welt in gut und böse aufgeteilt, sie haben mit diesem Denken Kriege begonnen, die zu noch mehr Kriegen geführt haben und sie waren sehr erfolgreich damit, ihr Publikum – die Wähler in den USA und die Lenker anderer Nationen – von ihrer Sicht zu überzeugen. Es war der Blick auf die Welt in Extremen. Hillary Clinton und sicherlich noch viel mehr Obama stehen für ein differenzierteres und facettenreiches Weltbild.

Ein vielschichtigerer Gedanke ist – so wie die Geschichten derzeit erzählt werden – viel schwieriger zu vermitteln, als eine Geschichte, die die Dinge in gut und böse, in richtig und falsch darstellen. Politiker in den USA (und auch anderswo) sind über Dekaden dann gut gefahren, wenn sich die Dinge in schwarz und weiß zu zeichnen vermochten. In den USA hatte die Tea Party Bewegung damit besonders großen Erfolg. Die Tea Party hat knackigere Geschichten formuliert, als die anderen Teilnehmer des politischen Spiels.

Es war das Erfolgsrezept der vergangenen Dekaden, die einfache Geschichte zu erzählen.

Die Welt funktioniert nicht in Extremen, die Welt funktioniert in Zwischentönen. Die Beschreibung der Welt in Extremen führt zu einem Zerrbild und macht es so gut wie unmöglich Kompromisse zu finden. Der “Kompromiss” selbst wurden von den vormals sehr erfolgreichen Erzählern der einfachen Geschichte als “Teufelswerk” gebrandmarkt – ganz im Sinne des Extremen Erzählers.

Donald Trump ist ein extremer Erzähler der Superklasse. Er vermag es Reden zu halten, in denen er ausschließlich Superlative benutzt. “Tremendous success” oder “complete failure”, dazwischen gibt es nichts. Damit findet Trump nach wie vor sein Publikum auf dem von der Tea Party bereiteten Feld.

Doch das Rezept der Erzählung in Extremen, scheitert gerade spektakulär. Trump hat den Bogen überspannt. Die Sehne des Bogens ist hoffentlich für immer zerrissen.

Trump ist ein Dinosaurier, er steht für Machismus und Unterdrückung durch den Stärkeren, unreflektiertes Denken und den Glauben an eine (seine) Wahrheit. Der Dinosaurier bäumt sich auf und brüllt. Es ist erschreckend. Doch der Drache ist tödlich verwundet. Und im Todeskampf reisst er nun die ihm nahe stehenden mit sich.

Donald Trump ist das Ende des Mainstreams der einfachen Geschichte. Wenn sich der Staub gelegt hat, wird sichtbar werden, was sich in den USA seit Jahren am Rande der Aufmerksamkeitsschwelle entwickelt: Das vielschichtige Erzählen, Denken und die Akzeptanz der multiplen Realitäten.

LATK#1 – Wie wir Geschichten erzählen (GER)

LIFE ACCORDING TO KORSAKOW #1
Wie wir Geschichten Erzählen

(this podcast is in German)

Wie uns die Art, wie wir Geschichten erzählen blind macht, für die Welt. Ein Vortrag, den Florian Thalhofer am 11. Oktober 2016 anläßlich der #DKT16 in der Humboldt Universität in Berlin hielt. 

Music by Jim Avignon / Neoangin and Ilja Pollach, Cologne.

 

“subscribe

Zwei Beobachtungen zu Kolumbien

Ende September 2016 war ich zwei Wochen in Kolumbien. Ich habe Vorträge gehalten und wurde einigen sehr spannenden Leuten vorgestellt.

Im folgenden zwei Beobachtungen, die ich noch vor dem Referendum über den Friedensvertrag und der Verleihung des Friedensnobelpreises an den Kolumbianischen Präsident Juan Manuel Santos geschrieben habe.

2016-09-bogota

1.
Die Menschen wirken entspannt. Als ich das gegenüber Kolumbianern äusserte, sind sie erstaunt. Es entspricht nicht dem Klischee. Kolumbien ist ein Land im Krieg. Seit Generationen bekämpfen sich unterschiedliche Gruppen bis aufs Blut. Die Gefahr, Opfer des Konflikts zu werden, ist allenthalben spürbar. Und dennoch bemerke ich, dass die Gesichter der Menschen, die ich auf der Strasse oder in Gesprächen treffe über die Maßen ruhig wirken.

Es war immer Krieg, die Menschen in Kolumbien, haben es nie anders erlebt. Man hat sich scheinbar damit arrangiert, doch die Gefahr ist allgegenwärtig. Zum Beispiel der Aufwand, der betrieben wird, wenn ein Taxi gerufen wird. Die Strassen in Bogota sind voll von offiziellen, gelben und weissen Taxis. Doch kaum jemand winkt einfach ein Taxi heran, man bestellt es telefonisch, es wird einem die Nummer des Taxis durchgegeben und man achtet darauf, dass man keinesfalls in falsche steigt.

Es gibt Hoffnung auf Frieden, am 3. Oktober wird in Kolumbien über einen Vertrag abgestimmt, der den langen Bürgerkrieg beenden soll. Die Umfragen sehen ein Ja für den Friedensvertrag. Doch es ist, wie so vieles in Kolumbien, kompliziert.

Der Druck, unter dem die Menschen stehen, hat nachgelassen. Wenn man das Wort “Hoffnung” ausspricht, folgen viele “aber”. Doch, die Spannung ist weniger geworden. Es ist Zeit, durchzuatmen. Das ist es, was man den Menschen ansehen kann.

2.
Seit vielen Jahren reise ich als Botschafter Korsakows durch die Welt und propagiere den vielschichtigen Blick. Ich bemühe mich aufzuzeigen, wie schädlich es ist, die Dinge in schwarz und weiss zu zeichnen und dass es nicht eine Wahrheit gibt, sondern die Realität das Ergebnis vieler verschiedener und zum Teil widersprüchlicher Blickwinkel ist.

Es gibt überall Menschen, die die Welt so verstehen, doch es ist eine Minderheit. An den Akademien und Universitäten ist der Anteil höher, doch Bildung ist nicht Voraussetzung für diese Denkhaltung.

Ich vermute, dass der Anteil der Menschen, die den multiplen Blick pflegen, bei 5 bis 10 % liegt. In entwickelteren Gesellschaften mag er etwas höher sein.

In Kolumbien ist der Anteil der Menschen, die nicht an eine Wahrheit glauben ausserordentlich hoch. Man spürt das auf der Strasse. Doch besonders deutlich wurde das bei den Gesprächen, die ich geführt habe. Die Auswahl meiner Gesprächspartner mag meine Beobachtung verzerren, doch habe ich noch nie in so kurzer Zeit so viele Menschen getroffen, die in unterschiedlichen Worten ausdrücken, wie wichtig der vielschichtige Blick ist.

Den Kolumbianern werden seit Generationen extreme Wahrheiten verkauft. Doch jede Wahrheit, die die vorangegangene ersetzte, hat alles nur viel schlimmer und blutiger gemacht. Die Menschen haben gelernt, dass eine Wahrheit, wie auch immer sie lautet und wer auch immer sie verkündet die Probleme nie löst. Im Laufe der Zeit wurden die unterschiedlichsten Wahrheiten ausprobiert, die Konflikte wurden nur schlimmer.

Es gibt in Kolumbien seit einigen Jahren ein spektakuläres Gesetz, das verbietet, dass es eine staatliche Wahrheit gibt. Das Gesetz bezieht sich auf den Bürgerkrieg und soll es den verschiedenen Konfliktparteien ermöglichen, ihren Blick auf die Dinge darzustellen. Dieses Gesetz wurde geschaffen im Verständnis, dass die Darstellung der verschiedenen Blickwinkel der erste Schritt zu Toleranz ist. Und Toleranz notwendig ist, um Konflikt zu überkommen.

Ein Gesetz, das die Wahrheit verbietet – ich würde es mir überall wünschen.

Der Anteil der Menschen, die nicht an eine Wahrheit glauben, scheint mir in Kolumbien ausserordentlich hoch. Kolumbien wäre damit eine Petrischale für vielschichtiges Denken. Eine gute Voraussetzung um viele Menschen zu bekommen, die in der Lage sind, außerordentliche Gedanken zu denken. Diese könnte die Grundlage für eine große Zukunft dieses Landes sein.

Es gibt zwei Arten von Menschen

Die einen, die an die an die Wahrheit glauben und die anderen, die die Welt in vielen Realitäten sehen.

Die erste Art, also die, die an die Wahrheit glauben, leben in dem Bewusstsein, dass es auf jede relevante Frage eine Antwort gibt. Diese eine Antwort ist wahr und für alle gültig. Menschen der ersten Art können sich auf die Suche nach einer Wahrheit begeben, denn in ihrem Verständnis ist die Wahrheit schon da, man muss sie nur finden. Und wenn die Wahrheit bereits gefunden wurde, muss man gar nicht lange suchen, Menschen der ersten Art sind in der Lage, sich schnell die Wahrheiten anderer zu eigen zu machen. Die meisten Menschen gehören der ersten Art an.

Die zweite Art, das sind diejenigen, für die es absolute Wahrheit nicht gibt. Statt dessen gibt es verschiedenen Blickwinkel, aus denen heraus etwas betrachtet werden muss und alle diese Blickwinkel sind richtig. Und auch, wenn man die anderen Blickwinkel selbst nicht wahrnehmen kann, weiß man zumindest, dass es sie geben muss. Aus jedem Blickwinkel ergibt sich ein unterschiedliches Bild. Die Wahrheit wäre allenfalls die Summe aller verschiedenen Blickwinkel. Doch da es annähernd unendlich viele Blickwinkel gibt, die sich auch gegenseitig ausschließen können, ist die Wahrheit eher eine theoretische Idee, die es in der Realität nicht (oder nur unglaublich selten) gibt.

Vertretern der zweiten Art können sich die Wahrheiten anderer Menschen nicht ohne weiteres zu aneignen. Sie könne zwar die Wahrheit eines anderen als relevanten Blickwinkel anerkennen, doch immer erst nachdem sie auch andere mögliche Blickwinkel bedacht haben. Dieser Prozess dauert seine Zeit, daher sind Menschen der zweiten Art generell langsamer, sie müssen mehr Fragen stellen und sind kritischer gegenüber allen Vorgaben.

Wenn ein Vertreter der einen Art mit einem Vertreter der anderen spricht, ist – auch wenn sie die selbe Sprache sprechen – fast alle tiefere Kommunikation Missverständnis. Dennoch leben die beiden Arten in Symbiose und profitieren voneinander.

Vertreter der ersten Art machen ihre Gruppe stark, weil sie sich schnell auf gemeinsame Ziele einschwören lassen. Denn wenn sich erst jeder in der Gruppe eine Meinung bilden muss, ob gerade jetzt ein guter Zeitpunkt ist, das Mammut anzugreifen, ist die Chance vertan. Chancen zu ergreifen und auf Gefahren von aussen schnell zu reagieren, ist im Überlebenskampf ein entscheidender Vorteil. Das gilt heute innerhalb einer Firma genauso wie in einer Gruppe von Jägern vor 20.000 Jahren.

Warum sind dann die zögerlichen Menschen der zweiten Art nicht längst ausgestorben? Weil sie Schutz sind, gegen die Gefahren von innen: Denn was passiert, wenn die Menschen der ersten Art sich von einer törichten Wahrheit überzeugen lassen? Weil sie zum Beispiel dem falschen Führer folgen, der alle ins Unglück navigiert. In so einer Situation muss die Gruppe in der Lage sein, schnell auf eine neue Wahrheit umschwenken zu können. Doch wenn es nur eine Wahrheit gibt, ist es ein langwieriger Prozess eine neue erst suchen und finden zu müssen. Die Vertreter der zweiten Art haben jedoch, mit ihrer Pflege der vielen Blickwinkel, stets Alternativen auf Lager. Der Moment, in der sich eine Wahrheit als falsch herausstellt ist der Moment, in dem in dem sich alle Köpfe in Richtung des Narren umdrehen:

“Hattest Du nicht mal gesagt, dass…?”

“Was willst Du eigentlich damit sagen?”

2016-04-02-MexicoTrees

Da, wo ich herkomme, wird interpretiert, was einer sagt. Was einer  meint, wenn er sagt, was er sagt. Was einer eigentlich meint. Weil man eigentlich immer vermutet, dass jemand insgeheim einen Plan verfolgt und das, was er sagt, nur deshalb sagt, weil er dahin kommen will, an sein eigentliches Ziel.

Politikern unterstellt man so etwas oft. Man denkt, dass ein Politiker nicht die “Wahrheit” sagt, sondern, dass ein Politiker einen Plan verfolgt, den er jedoch für sich behält. Der Plan ist geheim, doch auf dem Weg zu seinem Ziel redet der Politiker die ganze Zeit. Das, was er sagt, ist jedoch  strategisch, es soll die anderen im Glauben halten, sie manipulieren, dem geheimen Plan des Politikers zu dienen.

Auch Brüder unterstellen einander gerne, dass sie einen Plan verfolgen, und eben nicht sagen, was sie denken.

Viele betreiben es, wie einen Sport, den geheimen Plan zu entschlüsseln, das Ziel zu erkennen. Dieses vermeintliche Ziel im Kopf, wird dann das, was der Politiker (oder der Bruder) sagt, interpretiert.

Und plötzlich bekommt das gesagte einen ganz anderen Sinn.

Ich will gar nicht sagen, dass es nie passiert, dass ein Politiker einen verborgenen Plan hat und auf dem Weg, zu dem nur ihm bekannten Ziel, alle anderen mit Worten einseift. Doch ich bin sicher: es ist die Ausnahme. Wer schon einmal versucht hat, über längere Zeit einen Schwindel zu betreiben, weiß, wie kompliziert es ist, die Bälle in der Luft zu halten.

Und was ist, wenn der Beobachter ein falsches Ziel, als das vermeintliche, geheime erkennt? Wenn er überzeugt ist, zu wissen, was der Politiker (der Bruder, die Schwester, die Ehefrau, die Mutter, das Kind, die Werbung, das System) eigentlich im Schilde führt, tatsächlich damit aber falsch liegt? Was vermutlich die Regel und nicht die Ausnahme ist – denn das Ziel ist ja geheim und um die Verschleierung aufzudecken, müsste man ja noch viel schlauer sein, als der Politiker (…).

Es ist nicht unmöglich, jedoch höchst unwahrscheinlich, dass die Strategie des Entdeckens der geheimen Ziele, die richtigen Ziele aufdeckt.

Kurioser Weise, betreiben die, die geheime Ziele vermuten, gerne selbst die Strategie der strategischen Worte. Setzen also, dem vermuteten geheimen Ziel, ein eigenes geheimes Ziel entgegen und versuchen das Umfeld mit Worten so zu beeinflussen, dass es in ihre Richtung geht.

Spätestens dann wird es unüberschaubar kompliziert und verwirrend.

Unser Hirn kennt jedoch einen einfachen Trick, eine solche Situation wieder zu entwirren: Wer einen Schwindel baut und ihn immer wieder sagt, fängt früher oder später an, seine eigenen Worte zu glauben. So oder so, ob also das Gesagte von vorne herein wahr war, oder lediglich aus strategischen Gründen gesagt wurde: Irgendwann ist das Gesagte das Gemeinte.

Es ist für unsere einfachen Hirne viel zu kompliziert ein einfaches oder gar doppeltes Lügengebäude aufrecht zur erhalten. Unser Hirn funktioniert pragmatisch: Das Lügengebäude und alle Worte, die zu seiner Errichtung gedient haben, werden im Verlauf der Zeit, zur inneren Wahrheit.

Deshalb bin ich dazu übergegangen, den Worten zu glauben. Auf das zu hören, was jemand sagt und mich nicht von dem ablenken zu lassen, was ich denke, was eigentlich gemeint sein könnte.

Next page