Korsakow – Utopie nicht Vision

Es gibt zwei Arten mit Korsakow einen interaktiven Dokumentarfilm zu bauen. Die eine Art möchte ich die “kausale Methode” nennen, sie besteht darin zu planen, vorzugeben, zu versuchen zu bestimmen, was der Betrachter beim Betrachten erfahren soll. Die andere Art möchte ich “Korsakow-Methode” nennen, denn sie beschreibt die ursprüngliche Motivation, die zu Korsakow geführt hat.

Einen Korsakow-Film entsprechend der Korsakow-Methode zu bauen ist immer ein Experiment und wie bei jedem guten Experiment ist es ergebnisoffen. Das heisst, es ist allenfalls ein Startpunkt definiert, ein Thema, das womöglich in eine Richtung weist, nicht aber ein Ziel, ein Ergebnis, eine Aussage.

Obschon es möglich ist, mit Korsakow Filme nach der kausalen Methode zu bauen halte ich es für sinnlos, denn jedes andere Medium, jedes andere Format lässt sich dafür nutzen. Korsakow hingegen erlaubt die “Korsakow-Methode” – einen anderen Ansatz, den wenige filmische Werkzeuge überhaupt zulassen. Es ist eine radikal offene Erzählweise, ein filmisches Nachdenken, das immer neue Bezüge aufzeigen kann und die den Autor zum Zuschauer, zum Betrachter der eigenen Gedanken macht und den Zuschauer zum Autoren, der Bezüge entdecken und aufdecken kann, die so vielleicht nie geplant und womöglich bisher unentdeckt waren.

Formal lassen sich diese beiden Arten nicht ohne weiteres unterscheiden. Ein nach der Korsakow-Methode gemachter Film mag aussehen wie ein nach der kausalen Methode gemachter Korsakow-Film. Die Unterschiede sind in der Haltung, in der Herangehensweise des Autors begründet und vom Publikum allenfalls spürbar. Was ist die Message eines bestimmten Korsakow-Films? Wenn sich darauf eine klare Antwort geben lässt, handelt es sich sicherlich um einen nach der “kausalen Methode” gemachten Film. Die Korsakow-Methode führt nicht zu einem klaren Ergebnis, die Ursache und Wirkung, gut oder schlecht, Schuldigen oder Helden aufzeigt. Die Klarheit eines nach der Korsakow-Methode gemachten Films besteht darin, die Erkenntnis zu ermöglichen, dass es diese scheinbar klare Aufteilung eben nicht gibt. In diesem Sinne ist die Korsakow-Methode radikal. Es gibt kein gut, es gibt kein böse. Korsakow löst Kategorien auf und ist aus diesem Grund für manche unverständlich, ja unerträglich.

Eine Methoden Entdeckungen zu machen

Manche Menschen haben keine Lust sich sagen zu lassen, was sie tun und was sie lassen sollen. Derartige Menschen neigen oftmals sogar dazu, genau das Gegenteil von dem zu tun, was ihnen aufgetragen wird. Wenn da ein Weg ist, ziehen sie es vor, abseits des Weges zu gehen.

Die Wahrscheinlichkeit abseits der Wege wertvolle Entdeckungen machen ist höher als auf dem oder neben dem Weg. Ein Weg ist nur deshalb ein Weg, weil er schon schon oftmals genommen wurde. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Entdeckungen an einem Weg bereits in der Vergangenheit gemacht wurde ist also hoch, die Wahrscheinlichkeit, dass eine Entdeckung bisher unentdeckt blieb, entsprechend gering.

Wer nun wiederholt abseits der Wege wertvolle Entdeckungen macht, wird mit der Zeit ein Gefühl dafür entwickeln, wie man dort Entdeckungen machen kann. Ein Gefühl, aus dem sich eine Methode entwickeln kann.

Doch schon das Gefühl und mehr noch die Methode ist problematisch, da die Methode ist nichts anderes ist als wiederum ein Weg – ein Weg, der verspricht zu Entdeckungen zu führen. Man läuft also wieder auf Wegen und es liegt in der Natur von Wegen dass an den Wegen Entdeckungen mit der Zeit immer unwahrscheinlicher werden.

Was man sich also wünschen würde ist eine Methode, die permanent neue Wege generiert. Korsakow kann eine solche Methode sein.

Once I invented something


This text is based on a talk I gave in September 2022 @ HSLU in Lucerne

In this talk I reflect about the affordances of computers in when used in conjunction with media, and discuss how Korsakow, the software I developed, was constructed based on these affordances.


Once and more than 20 years ago, I invented something. I invented something that did not prior exist (at least in that form) and that was later on also used by other people.

Today I want to talk about Korsakow from the perspectives of the inventor and designer.

There are a few things to say about this. For one thing, when I invented it, I wasn’t aware that it was something new. It wasn’t anything new in a way, because it was based on what was there already. In my case, primarily computers, digital video, and a vague idea of what a database is.

Affordances

What I invented didn’t come out of a vacuum but was in a way already suggested by the affordances of the computer I owned, the sound and image recording possibilities of my camera and a very vague idea of what a database could do, an understanding I primarily got through my student job at “Daimler-Chrysler Research and Technology”.

So I combined things that were actually already there, and I made use of affordances myself to create something that would later turn out to offer affordances to others.

What were those affordances, what should this software be good for?

When I think back to 1996, I remember one thing above all, this incredible fascination that computers had on me. I had already observed for a while, that everything that was dear to me – notes, texts, photos and recordings accumulated in fragments on my computer and I wished I had a button I could press and then the computer would help me to make sense of all these fragments. I wished the computer would help me to read the data in a way that I could see the emerging patterns. I wished the computer would help me decipher what I thought.

I wished for a tool that could present the connections of the things that I had in my brain, the connection of my thoughts, memories and feelings, so that I could read them and that way understand what I felt.

This was the initial idea of what this software should be good for, as far as I remember.

Those thoughts lead me led to the use of keywords as a fundamental principle, to allow a flexible connection of the elements that later were called SNUs (Smallest Narrative Unit).

The idea was to organize all the elements in an open and flexible way. The elements apart from the SNUs are the interface, (the layout of how things are presented) and and additional layers of audio and text.

Designing a tool to create interactive films

Interactivity, that allows viewers of a piece to select clips offered by the system came as a consequence of this flexible arrangement of the SNUs and the wish to make it visible that there is no fixed order of things.

Because of the decision to make it interactive, options had to be presented to the viewer – there was the necessity for buttons to be pressed. I could only think of links being text, image, sound, moving image or a key pressed on the keyboard of the computer. And I allowed for all the options above, also in combination.

The intention of the designer and affordance

From the standpoint of the designer of Korsakow (me), Korsakow was not built with the intention in mind to make people use it in a particular way, but to give people possibilities, as many options that I could think of and that I was able to realize within the limitations of the technology I had access to and by my skills and the general resources that were available. So for example eye tracking could also have been a possibility for navigating interactivity, but that was beyond my scope of possibilities. So one could say the affordances that I made use of, were in the objects I used (computer, recording, database) and the environment I was in (things like my skill set or funding opportunities).


Signal & Noise & Lineares Erzählen

Leute denken oft, dass Dinge dann Sinn machen, wenn sie sich linear ausdrücken lassen. Etwas überzeugt, wenn es in Worten gesagt werden kann, in Form eines Textes, am besten in einem Buch oder auch in einem (linearen) Film. Und so überprüft man Dinge (Gedanken, Beobachtungen) nicht nur in der Akademie auf ihre Sinnhaftigkeit indem man sie daraufhin überprüft, ob sie sich in linear-kausaler Logik ausdrücken lassen. Es ist ein Standardverfahren, Sinn von Unsinn, “signal” von “noise” zu unterscheiden. Lässt sich etwas linear-kausal erklären? Wenn ja, muss es stimmen.

Die Methode, Dinge linear kausal zu ordnen, ist wunderbar und hat massgeblich dazu beigetragen dahin zu kommen, wo wir als Menschheit jetzt sind. Linear-kausales Denken hat uns in die Lage versetzt, nicht nur die Technologien zu entwickeln, die heute weitestgehend unser Leben weltweit prägen, sondern auch die Gesellschaften und Kulturen in denen wir leben. Linear-kausales Denken prägt so gut wie jeden Aspekt des Lebens, wie Städte aussehen ebenso wie Gemeinschaften strukturiert sind, wie Kraftwerke oder Fortbewegungsmittel konstruiert sind.

Und doch es ist vermutlich nicht die einzige Methode Sinnhaftigkeit zu erkennen und auszudrücken. Eine andere Methode (und ich bin versucht zu sagen die andere Methode) ist nichtlineares, multikausales Denken wie es sich z.B. in Korsakow ausdrückt. Jedes Ding (jeder Gedanke, jede Beobachtung) hat viele Bezüge gleichzeitig. Alle Dinge beeinflussen sich gegenseitig, üben Kräfte aufeinander aus. Dabei ist alles immerzu in Bewegung und jedes Ding hat Auswirkungen auf alle anderen Dinge. Das scheint mir das Grundprinzip zu sein, das auf allen Eben und überall im Universum gilt. Innerhalb eines Atoms ebenso, wie innerhalb von Galaxien. Unsere Gesellschaften verhalten sich so, unsere Beziehungen untereinander, alles was wir tun hat Auswirkungen in alle Richtungen (the flap of a butterfly) und alles was wir tun ist dabei gleichzeitig Ergebnis von Kräften, die aus allen Richtungen auf uns einwirken.

Leute denken oft, dass Dinge Sinn machen, wenn sie sich linear ausdrücken lassen. Ich vermute es könnte eher umgekehrt sein:

Lineare Ausdrucksformen lassen Dinge sinnvoll erscheinen, die sich in diesen Formen ausdrücken lassen. Dinge die sich nicht linear ausdrücken lassen erscheinen hingegen sinnlos, sie scheinen “noise” zu sein.

Könnte es sein, dass es noise in dem Sinne gar nicht gibt, dass das, was uns wie noise vorkommt eigentlich signal ist und wir es nur nicht lesen können?

My Favorite Interactive Documentaries Are The Ones I Made Myself – In Search Of The Author

Anna Wiehl invited me to give a talk in the lectures series “Digital documentary practices – Topical paradigm shifts in negotiating ‚the Real‘” at the University of Bayreuth . I am honored and excited and created an almost brand-new talk looking at people thinking and breathing YouTube. How does the way YouTube changes the thinking of people ‚who take YouTube serious‘ compare to how Korsakow changed my thinking? There are many parallels.

Anna Wiehl wrote on Facebook that „Florian Thalhofer is always good for a surprise“. I take it as a compliment.

The lecture was Wed, Dec 8th, 2021, 16:00h, and took place on Zoom. I re-recorded the Talk the next day.

Link to the lecture series:
https://did.avinus.org/virtuelle-ringvorlesung/

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