Die Form ist der eigentliche Inhalt

Wenn ich betrachte, wie meine Korsakow-filme rezipiert wurden, scheinen mir die Themen, die ich (und authors, mit denen ich kollaboriert habe) behandelt habe, die Geschichten, die ich erzählt habe – eher zweitrangig.

Über Korsakow sind Bücher (und viele Texte) geschrieben worden. Auch wenn immer wieder auf einzelne Werke, wie zum Beispiel das [LoveStoryProject] eingegangen wurde (wie z.B. im PhD von Sandra Gaudenzi), ging es nur selten um den “eigentlichen” Inhalt der Arbeiten.

Was ungewöhnlich zu sein scheint und besprochen wurde und wird ist die Form – die Form in der bestimmte Korsakow-filme gemacht sind und die eine Haltung zum Ausdruck bringen, wie sie in anderen Formen filmischen Erzählers scheinbar nicht so deutlich sichtbar wird. Es geht also um diese Form, die eine Haltung hervorzubringen scheint, zumindest bei authors, die sich auf diese Form einlassen. Nicht alle authors, die Korsakow nutzen, kommen gleichermassen bei dieser Haltung an, viele authors so meine Beobachtung “sperren” sich gegen die Form, mir kommt es vor als würden sie gegen die Form anarbeiten oder wie ich es früher ausgedrückt habe, Korsakow gegen den Strich bürsten.

Aus meiner Sicht scheitern derartige Projekte und auch Adrian Miles beschreibt dies, wenn er beschreibt, wie viele Leute Korsakow nicht richtig verstehen. Ich empfehle diesen Leuten linearere Formate zu benutzen und um Missverständnisse vorzubeugen möchte ich an dieser Stelle sagen, dass dies auch aus meiner Sicht völlig o.k. ist. Die Haltung, die Korsakow hervorbringen kann ist nicht “die richtige” sie ist nur eine andere. Beide Haltungen haben meines Erachtens nach Vor- und Nachteile.

Die Form ist – zumindest bei Korsakow – ein wesentlicher Inhalt und ich frage mich, ob das nicht für auch für andere Arten von Projekten gilt. Ob also auch z.B. die Themen von linearen Filmen vielleicht gar nicht so wichtig wie allgemein angenommen sind, ob vielleicht die Form in der in linearen Filmen erzählt wird grösseren Einfluss auf das Denken derjenigen hat, die den Film machen und die den Film rezipieren. Ich wähle hier bewusst den grammatikalischen Singular linearer Film obschon ich mir bewusst bin, dass es viele Formen von linearen Filmen gibt, die eine Bandbreite unterschiedlichster Haltungen hervorbringen können. Mein Argument ist, dass es beim linearen Film keine unendliche Bandbreite von möglichen Haltungen gibt, ebensowenig wie bei Korsakow, die sich zum Teil überschneiden aber zu einem gewissen Teil eben auch nicht.


Das wäre dann der Teil, der eine Haltung “afforded“, die der lineare Film eben nicht möglich macht, oder zumindest nicht nahelegt. Dieser Bereich interessiert mich – brennend.

Denn die Haltung scheint mir den Blick zu formen, den man auf etwas einnehmen kann.

The form is the real content

When I consider how my Korsakow films have been received, it seems to me that the subjects I1 have dealt with – the “stories I have told” – are rather secondary.

Books (and many texts) have been written about Korsakow. Although individual works, such as [The LoveStoryProject], have been repeatedly discussed (as in Sandra Gaudenzi’s PhD), the “actual” content of the works has rarely been at issue.

What seems to be unusual, and has been and is being discussed, is the form – the form in which certain Korsakow films are made, expressing an attitude (Haltung) not seemingly so evident in other forms of cinematic storytelling. It is, then, this form that seems to produce an attitude, at least in authors who engage with it. Not all authors who use Korsakow arrive equally at this attitude; many authors, according to my observation, “resist” the form; it seems to me that they work against the form, or as I put it earlier, brush Korsakow against the grain.

From my point of view, such projects fail and Adrian Miles also describes this when he talks about how many people don’t get Korsakow properly. I recommend to these people to use more linear formats and to avoid misunderstandings I would like to say here that this is also completely o.k. from my point of view. The attitude Korsakow affords is not “the right one” it is just a different one. In my opinion, both attitudes have advantages and disadvantages.

The form seems to be – at least with Korsakow – an essential content and I wonder if this is not true for other kinds of projects as well. Whether, for example, the themes of linear films are perhaps not as important as generally assumed, whether perhaps the form in which linear films are told has a greater influence on the thinking of those who make the film and those who receive the film. I deliberately choose the grammatical singular (“linear film”) here, although I am aware that there are many forms of linear film that can produce a wide range of different attitudes. My argument is that linear film has a range of possible attitudes, as does Korsakow, some of which overlap but some of which do not.


This part that does not overlap would be the part that afforded an attitude that linear film does not. This area interests me – fervently.

Because the attitude seems to me to form the view that one can take on something.


1 and authors with whom I collaborated

Korsakow – Utopie nicht Vision

Es gibt zwei Arten mit Korsakow einen interaktiven Dokumentarfilm zu bauen. Die eine Art möchte ich die “kausale Methode” nennen, sie besteht darin zu planen, vorzugeben, zu versuchen zu bestimmen, was der Betrachter beim Betrachten erfahren soll. Die andere Art möchte ich “Korsakow-Methode” nennen, denn sie beschreibt die ursprüngliche Motivation, die zu Korsakow geführt hat.

Einen Korsakow-Film entsprechend der Korsakow-Methode zu bauen ist immer ein Experiment und wie bei jedem guten Experiment ist es ergebnisoffen. Das heisst, es ist allenfalls ein Startpunkt definiert, ein Thema, das womöglich in eine Richtung weist, nicht aber ein Ziel, ein Ergebnis, eine Aussage.

Obschon es möglich ist, mit Korsakow Filme nach der kausalen Methode zu bauen halte ich es für sinnlos, denn jedes andere Medium, jedes andere Format lässt sich dafür nutzen. Korsakow hingegen erlaubt die “Korsakow-Methode” – einen anderen Ansatz, den wenige filmische Werkzeuge überhaupt zulassen. Es ist eine radikal offene Erzählweise, ein filmisches Nachdenken, das immer neue Bezüge aufzeigen kann und die den Autor zum Zuschauer, zum Betrachter der eigenen Gedanken macht und den Zuschauer zum Autoren, der Bezüge entdecken und aufdecken kann, die so vielleicht nie geplant und womöglich bisher unentdeckt waren.

Formal lassen sich diese beiden Arten nicht ohne weiteres unterscheiden. Ein nach der Korsakow-Methode gemachter Film mag aussehen wie ein nach der kausalen Methode gemachter Korsakow-Film. Die Unterschiede sind in der Haltung, in der Herangehensweise des Autors begründet und vom Publikum allenfalls spürbar. Was ist die Message eines bestimmten Korsakow-Films? Wenn sich darauf eine klare Antwort geben lässt, handelt es sich sicherlich um einen nach der “kausalen Methode” gemachten Film. Die Korsakow-Methode führt nicht zu einem klaren Ergebnis, die Ursache und Wirkung, gut oder schlecht, Schuldigen oder Helden aufzeigt. Die Klarheit eines nach der Korsakow-Methode gemachten Films besteht darin, die Erkenntnis zu ermöglichen, dass es diese scheinbar klare Aufteilung eben nicht gibt. In diesem Sinne ist die Korsakow-Methode radikal. Es gibt kein gut, es gibt kein böse. Korsakow löst Kategorien auf und ist aus diesem Grund für manche unverständlich, ja unerträglich.

Eine Methoden Entdeckungen zu machen

Manche Menschen haben keine Lust sich sagen zu lassen, was sie tun und was sie lassen sollen. Derartige Menschen neigen oftmals sogar dazu, genau das Gegenteil von dem zu tun, was ihnen aufgetragen wird. Wenn da ein Weg ist, ziehen sie es vor, abseits des Weges zu gehen.

Die Wahrscheinlichkeit abseits der Wege wertvolle Entdeckungen machen ist höher als auf dem oder neben dem Weg. Ein Weg ist nur deshalb ein Weg, weil er schon schon oftmals genommen wurde. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Entdeckungen an einem Weg bereits in der Vergangenheit gemacht wurde ist also hoch, die Wahrscheinlichkeit, dass eine Entdeckung bisher unentdeckt blieb, entsprechend gering.

Wer nun wiederholt abseits der Wege wertvolle Entdeckungen macht, wird mit der Zeit ein Gefühl dafür entwickeln, wie man dort Entdeckungen machen kann. Ein Gefühl, aus dem sich eine Methode entwickeln kann.

Doch schon das Gefühl und mehr noch die Methode ist problematisch, da die Methode ist nichts anderes ist als wiederum ein Weg – ein Weg, der verspricht zu Entdeckungen zu führen. Man läuft also wieder auf Wegen und es liegt in der Natur von Wegen dass an den Wegen Entdeckungen mit der Zeit immer unwahrscheinlicher werden.

Was man sich also wünschen würde ist eine Methode, die permanent neue Wege generiert. Korsakow kann eine solche Methode sein.

Once I invented something


This text is based on a talk I gave in September 2022 @ HSLU in Lucerne

In this talk I reflect about the affordances of computers in when used in conjunction with media, and discuss how Korsakow, the software I developed, was constructed based on these affordances.


Once and more than 20 years ago, I invented something. I invented something that did not prior exist (at least in that form) and that was later on also used by other people.

Today I want to talk about Korsakow from the perspectives of the inventor and designer.

There are a few things to say about this. For one thing, when I invented it, I wasn’t aware that it was something new. It wasn’t anything new in a way, because it was based on what was there already. In my case, primarily computers, digital video, and a vague idea of what a database is.

Affordances

What I invented didn’t come out of a vacuum but was in a way already suggested by the affordances of the computer I owned, the sound and image recording possibilities of my camera and a very vague idea of what a database could do, an understanding I primarily got through my student job at “Daimler-Chrysler Research and Technology”.

So I combined things that were actually already there, and I made use of affordances myself to create something that would later turn out to offer affordances to others.

What were those affordances, what should this software be good for?

When I think back to 1996, I remember one thing above all, this incredible fascination that computers had on me. I had already observed for a while, that everything that was dear to me – notes, texts, photos and recordings accumulated in fragments on my computer and I wished I had a button I could press and then the computer would help me to make sense of all these fragments. I wished the computer would help me to read the data in a way that I could see the emerging patterns. I wished the computer would help me decipher what I thought.

I wished for a tool that could present the connections of the things that I had in my brain, the connection of my thoughts, memories and feelings, so that I could read them and that way understand what I felt.

This was the initial idea of what this software should be good for, as far as I remember.

Those thoughts lead me led to the use of keywords as a fundamental principle, to allow a flexible connection of the elements that later were called SNUs (Smallest Narrative Unit).

The idea was to organize all the elements in an open and flexible way. The elements apart from the SNUs are the interface, (the layout of how things are presented) and and additional layers of audio and text.

Designing a tool to create interactive films

Interactivity, that allows viewers of a piece to select clips offered by the system came as a consequence of this flexible arrangement of the SNUs and the wish to make it visible that there is no fixed order of things.

Because of the decision to make it interactive, options had to be presented to the viewer – there was the necessity for buttons to be pressed. I could only think of links being text, image, sound, moving image or a key pressed on the keyboard of the computer. And I allowed for all the options above, also in combination.

The intention of the designer and affordance

From the standpoint of the designer of Korsakow (me), Korsakow was not built with the intention in mind to make people use it in a particular way, but to give people possibilities, as many options that I could think of and that I was able to realize within the limitations of the technology I had access to and by my skills and the general resources that were available. So for example eye tracking could also have been a possibility for navigating interactivity, but that was beyond my scope of possibilities. So one could say the affordances that I made use of, were in the objects I used (computer, recording, database) and the environment I was in (things like my skill set or funding opportunities).


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