Der alte Mann sieht toll aus, wie er so in der Frühlingssonne sitzt und eine Zigarette raucht. Im Vorbeigehen grüße ich kurz und als ich 10 Minuten später wieder an ihm vorbei komme, nehme ich mir ein Herz und spreche ihn an.
Das heißt, ich laufe zuerst an ihm vorbei, bleibe stehen, überlegte ein paar Sekunden, drehte mich um, gehe zurück und spreche ihn an.
Es fällt mir nicht leicht, Leute anzusprechen. Das ist auch der Grund warum ich meist alles selber mache. Ich frage nicht gerne um Hilfe.
In letzter Zeit habe ich mir angewöhnt, mir beim Denken zuzuschauen. Zu betrachten was in mir vorgeht. Ich beobachte, was ich spüre, richte meine Aufmerksamkeit auf die Gedanken und Gefühle, die in mir emporsteigen und versuche sie einen Moment lang festzuhalten um sie betrachten zu können. So gelingt es mir manchmal, Dinge in mir wahrzunehmen, die normalerweise so schnell vergehen, dass sie meinem Bewusstsein entgehen.
Er sehe so schön aus, wie er da in der Sonne sitze, ob ich ein Foto machen dürfe, ich würde ihn später gerne zeichnen, frage ich.
Der Mann sagt “nein”.
Ich drehe mich um und gehe. Als ich etwa 20 Meter gegangen bin, bemerke ich einen Schmerz in mir aufsteigen. Ich richte meine Aufmerksamkeit auf den Schmerz, schaute genau hin. Es ist der Schmerz eines kleinen Kindes, das gerade Ablehnung erfahren hat und nicht verstehen kann, warum.
Es wäre einfach, das Gefühl beiseite zu schieben. Das Gefühl zur Seite schieben ist, passiert normalerweise automatisch, doch ich fokussiere auf das Gefühl. Ohne zu werten, ohne Partei für eine Seite zu ergreifen. Und ich merkte, wie das Gefühl immer überwältigender wird, ich sehe, wie ich am liebsten losheulen würde vor Schmerz.
Ich bin ein 47 Jahre alter Mann, ich fange natürlich nicht einfach mitten auf der Strasse an loszuheulen, weil ich von einem Opa, den ich noch nicht einmal kenne, einen Korb bekomme.
Doch einen Moment, in dem in der Welt um mich herum wohl weniger als eine halben Sekunde vergangen ist, kann ich ein Blick auf die Angst vor dem Schmerz erhaschen, die mich abhält, jemanden um etwas zu bitten.
Das kenne ich gut, lieber nicht fragen man könnte ja ein NEIN als Antwort bekommen und den Schmerz der Ablehnung empfinden.
Im Yoga hab ich gelernt mich dem Schmerz zu stellen, schließlich ist er immer wieder Teil unseres Lebens, genauso wie das Glück! In die Dehnung, in den Schmerz „reinatmen“, um ihn richtig zu spüren und dann „wegzuatmen“. So mach ich das jetzt auch mit dem Glück, in das Glück „reinatmen„, um es noch stärker zu empfinden. So wird auch der Schmerz abgeschwächt, wenn er kommt. Schließlich ist alles relativ!
Schmerz ist nichts schlechtes. Im konkreten Fall wollte ich auch nicht, dass er geht, im Gegenteil ich wollte dass er bleibt, damit ich ihn mir genauere anschauen kann. Wie ein Signal, dass da was spannendes und lehrreiches passiert.