SUV = FAA (Fettarschauto)

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Früher bin ich Moped gefahren, heute fahre ich Motorrad. So bewege ich mich seit 20 Jahren durch Berlin. Das ist prima, weil es Spaß macht, man keinen Parkplatz suchen muss und weil man an Staus vorbeifahren kann äh konnte.

Immer öfter kommt man nämlich nicht mehr an den Autos vorbei. Zu wenig Platz gab es auch früher manchmal. Aber es ist eine Sache, wenn zwei LKWs nebeneinander stehen und man nicht durchkommt. Die LKWs beliefern vielleicht Supermärkte, transportieren Möbel oder Baumaterialien oder sonstwas. Sehe ich alles ein.

Ich möchte mich hier auch gar nicht darüber auslassen, dass es offenbar immer mehr Menschen wichtig ist, ihr Kind im vermeintlich kriegstauglichen Geländewagen in den Kindergarten zu bringen. Aber immer häufiger stehen ein neuer BMW “Mini”, neben einem neuen VW Golf oder Opel Corsa oder Citroën Supërëfficiënt. Und da es seit ein paar Jahren unter neuen Autos modern geworden ist, in die Breite zu wachsen, kommt es mit der Zeit immer häufiger vor, dass da zwei dieser modernen Fahrzeuge nebeneinander im Stau stehen und dann wird es für mich eng.

“Tja, – Pech”, habe ich gedacht. Ist ja ohnehin illegal, sich am Stau vorbeizumogeln, ausserdem wird mir mit zunehmendem Alter das Motorradfahren sowieso immer beschwerlicher. Zudem habe ich mehr Geld als früher. Ich habe reagiert. Und so transportiere ich meinen fetten Arsch nun auch in einem von diesen energieeffizienten Dingern!

Freiheit

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Als ich ein Kind war, gab es viele Hunde. Sie liefen frei auf der Straße herum und von den meisten wusste man, wem sie gehörten. Ich mochte die Hunde gerne und einer war mein besonderer Freund. Ein großer, roter Jagdhund, sein Name war Luka. Sein Besitzer hatte Luka schon lange nicht mehr mit auf die Jagd genommen, Luka war alt und lag meist vor dem Haus unseres Nachbarn auf der Straße. Sogar die wildesten Straßenkatzen (man konnte sie gut erkennen, an ihren eingerissenen Ohren, die von vergangenen Kämpfen zeugten) hatten Respekt vor Luka. Einmal habe ich eine solche Kampfkatze beobachtete, wie sie auf einem Zaun entlang balancierte. Luca war zu diesem Zeitpunkt schon halb taub und halb blind, doch als die Katze ihn bemerkte, fing sie merklich an zu schwanken, verlor ihr Gleichgewicht, konnte ihren Fall gerade noch in einen Sprung verwandeln und verschwand im Garten eines anderen Nachbarn.

Luka mochte mich wohl auch, denn meine Mutter berichtet, dass er einmal, als ich krank war und mehrere Tage nicht auf der Strasse spielen war, plötzlich im im Schlafzimmer meiner Eltern stand. Er hatte mich wohl gesucht.

Luka ist irgendwann gestorben. Er ist jetzt im Hundehimmel, hat man mir gesagt.

Heute gibt es keine Hunde mehr, die frei herumlaufen. Ich kann mich noch erinnern, dass es irgendwann das Gerücht gab, dass Hundefänger herumfahren, die die Hunde mit Netzen fangen und an Labore verkaufen, wo Tierversuche durchgeführt werden. Die Leute haben die Hunde dann nicht mehr auf die Strasse gelassen. Und wenn vielleicht manche Besitzer die Geschichte nicht glaubten, die Nachbarn haben sie womöglich geglaubt und wer will im Dorf schon als jemand gelten, der sich nicht um seinen Hund sorgt?

Mehr als zwei Jahrzehnte später habe ich mir ein Motorrad gekauft. Ich bin in ganz Deutschland herumgefahren und weil man mit einem Motorrad nicht über Autobahnen fährt, sondern über Landstraßen, kam ich durch viele Dörfer.

Irgendwann bin ich auch durch Polen gefahren. Die Dörfer in Polen sind anders. Zuerst wusste ich nicht so recht, was es war, aber dann wurde es mir bewusst. Auf den polnischen Dorfstraßen spielten viele Kinder. Ich kann mich nicht erinnern, in deutschen Dörfern jemals ein Kind auf der Straße spielen gesehen zu haben.

Die Kinder auf den Straßen sind verschwunden. Genau wie die Hunde.

Neid

2014bergIch sitze mit meinem Neffen auf dem Balkon. “Wie soll ich es sagen?” fragt er, “Ich habe dich immer beneidet, dass du so genau weisst, wohin du im Leben willst. Dass du ein Ziel hast, dass du erfolgreich bist.”

Ich weiss nicht, was ich antworten soll. Denn zum einen weiß ich, wie steinig der Weg ist, den ich gehe. Doch viel mehr: Ich wollte niemals beneidet werden.

Vielmehr hätte ich gewünscht, dass man sich für mich freut. Von meiner Familie hätte ich es erwartet. Wenn mein Neffe mich zumindest bewundern und damit meine Leistung würdigen würde.

Neid ist schrecklich. Neid steht für die Frage “Warum du, warum nicht ich?”. *Neid* erkennt nicht an, dass man sich etwas *erarbeitet* hat. Und – das ist vielleicht das schlimmste – derjenige, der Neid äussert, verschließt die Augen vor den Ursachen des Erfolgs. Wenn man einen Bergsteiger darum beneidet, dass er einen hohen Berg gestiegen hat, wird man kaum in der Lage sein, von ihm zu lernen, um selbst irgendwann in der Lage zu sein, den Berg zu erklimmen.

Neid ist hässlich. Für den Neider wie den Beneideten.

Merkels Sieg

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Gespräch unter Journalisten aufgeschnappt.

“Nein, also das würde ich nie machen, als Bundeskanzlerin, das gehört sich einfach nicht!” erregt sich die Kollegin. “Dass man als Bundeskanzlerin in eine Männerumkleindekabine geht!”

“Aber die wissen das doch, dass sie kommt.” wirft eine andere Kollegin ein.

“Das ist egal. Es bleibt eine Umkleidenkabine. Sie kann die doch wo anders empfangen. Es ist eine Fussballerumkleidekabine, auch wenn das Weltmeister sind.”

“Das ist das nächste, was sie den normalen Menschen kommt”, witzelt ein Dritter.

“Ich würde das nicht nur als Bundeskanzlerin nicht machen, ich würde das gar nicht machen”, ergänzt sich die erste.

Die Deutschen

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Fussball macht mir Angst. Ich habe eine Abneigung gegen Massenveranstaltungen, ich mag keine Religionen. Schlechte Voraussetzung für Fussball. Immer wieder habe ich versucht, mich dafür zu erwärmen, immer wieder bin ich gescheitert. Fussball gruselt mich.

Derzeit ist Fussball-Weltmeisterschaft. Viele Spiele sehe ich beruflich, ich arbeite in der Nachrichtenredaktion eines Fernsehsenders. Gestern musste ich nicht arbeiten. Gestern war das Halbfinalspiel Deutschland vs. Brasilien. In Brasilien. Während der ersten Halbzeit gehe ich mit meiner Frau spazieren. Bomben in Israel und Gaza, die schreckliche Nachricht des Tages. Raketen auch in Berlin, jedes Tor der Deutschen Mannschaft wir gefeiert. Wir fliehen nach Hause. Die zweite Halbzeit sehen wir im Fernsehen. Deutschland besiegt Brasilien 7:1. Deutschland hat Brasilien vernichtet.

Doch während draussen die Raketen fliegen, sind die Kommentare der Moderatoren verhalten. So als müsste man etwas entschuldigen.

Vielleicht muss man etwas entschuldigen. Eine Fussball-Weltmeisterschaft in Brasilien. Es gab Proteste und Ausschreitungen im Vorfeld, Brasilien hat sich nicht leicht getan mit dieser WM.

Von den Deutschen massakriert. “Eiskalt berechnend”, die “Fehler der Brasilianer ausnutzend” wird es von Fachleuten später beschrieben. Ein Moderator – ein früherer deutscher Nationaltorwart – analysiert “emotionale Schwächen” der brasilianischen Spieler, die immer wieder in Tränen ausgebrochen seien, selbst bei der Einspielung der Nationalhymne, noch vor dem Anpfiff.

“Eiskalt”. Warum muss man den Gegner so blossstellen? Weil man kann? Warum bekommen die Deutschen keine Beißhemmung, als sie 3:0 führen? Oder 4:0? Warum muss man jemanden so erniedrigen? Den Gastgeber der WM? Deutschland kennt kein Pardon.

Es ist merkwürdig ruhig am Tag nach dem “historischen” Sieg. “Ich glaube, heute sind weniger Fahnen an den Autos, als gestern”, stellt meine Frau erstaunt fest. Ich wünschte mir, es wäre wahr.

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