Die Deutschen

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Fussball macht mir Angst. Ich habe eine Abneigung gegen Massenveranstaltungen, ich mag keine Religionen. Schlechte Voraussetzung für Fussball. Immer wieder habe ich versucht, mich dafür zu erwärmen, immer wieder bin ich gescheitert. Fussball gruselt mich.

Derzeit ist Fussball-Weltmeisterschaft. Viele Spiele sehe ich beruflich, ich arbeite in der Nachrichtenredaktion eines Fernsehsenders. Gestern musste ich nicht arbeiten. Gestern war das Halbfinalspiel Deutschland vs. Brasilien. In Brasilien. Während der ersten Halbzeit gehe ich mit meiner Frau spazieren. Bomben in Israel und Gaza, die schreckliche Nachricht des Tages. Raketen auch in Berlin, jedes Tor der Deutschen Mannschaft wir gefeiert. Wir fliehen nach Hause. Die zweite Halbzeit sehen wir im Fernsehen. Deutschland besiegt Brasilien 7:1. Deutschland hat Brasilien vernichtet.

Doch während draussen die Raketen fliegen, sind die Kommentare der Moderatoren verhalten. So als müsste man etwas entschuldigen.

Vielleicht muss man etwas entschuldigen. Eine Fussball-Weltmeisterschaft in Brasilien. Es gab Proteste und Ausschreitungen im Vorfeld, Brasilien hat sich nicht leicht getan mit dieser WM.

Von den Deutschen massakriert. “Eiskalt berechnend”, die “Fehler der Brasilianer ausnutzend” wird es von Fachleuten später beschrieben. Ein Moderator – ein früherer deutscher Nationaltorwart – analysiert “emotionale Schwächen” der brasilianischen Spieler, die immer wieder in Tränen ausgebrochen seien, selbst bei der Einspielung der Nationalhymne, noch vor dem Anpfiff.

“Eiskalt”. Warum muss man den Gegner so blossstellen? Weil man kann? Warum bekommen die Deutschen keine Beißhemmung, als sie 3:0 führen? Oder 4:0? Warum muss man jemanden so erniedrigen? Den Gastgeber der WM? Deutschland kennt kein Pardon.

Es ist merkwürdig ruhig am Tag nach dem “historischen” Sieg. “Ich glaube, heute sind weniger Fahnen an den Autos, als gestern”, stellt meine Frau erstaunt fest. Ich wünschte mir, es wäre wahr.

Das hässliche Haus I

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Der Vater hat dem Sohn eine Wohnung gekauft. In Berlin, da hat der Sohn an der Kunsthochschule studiert. Und der Sohn hat sich gefreut. Er hat sich für den Vater gefreut, weil der sein Leben lang gearbeitet hat und nun eine Wohnung besitzen konnte, in der neuen Hauptstadt. Er hat sich über die Geste gefreut, dass der Vater für den Sohn sorgt, denn für wen, wenn nicht für den Sohn hätte die Wohnung später sein sollen? Der Sohn hat sich nicht über die Wohnung gefreut, denn das Haus, in dem die Wohnung war, war hässlich. Obendrein, wie es damals wohl nur in Berlin sein konnte, lag die Wohnung zwar mitten in der Stadt, doch gleichzeitig im Nirgendwo “Wo ziehst Du hin?” haben die Freunde des Sohnes gefragt – und als, nach vielen Jahre ein Café eröffnete hieß es: “Am Ende der Welt”.

Der Sohn hat dem Vater Miete bezahlt und es war die Miete, die man damals zahlen musste, wenn man in Berlin Mitte in einen Neubau zog. Nur wenige Leute taten das und die wenigen kamen aus Bonn und waren nur unter der Woche in der Stadt. Das mit der Miete ging für den Sohn schon in Ordnung, denn die Wohnung war mit besonderen steuerlichen Vergünstigungen gekauft, wie es sie nur damals, wenige Jahre nach der Wiedervereinigung gab. Aufbau Ost hiess das Motto und das Finanzamt konnte es nicht zulassen, dass ein Vater den eigenen Sohn zu besonderen Konditionen in der Wohnung wohnen lässt. Und das Finanzamt war damals auch besonders streng. So sagte der Vater, und der musste es wissen, denn der Vater war Steuerberater. Der Sohn sah, wie seine Freunde die herrlichsten 120 qm Altbauwohnungen bezogen und nur die Hälfte seiner Miete zahlten. “Aber wir haben eine Tiefgarage!” versuchte der Sohn seine Freundin zu überzeugen, die zwar in die Wohnung mit einzog, aber nicht für sehr lange. Nur einmal hatte der Vater seinen Sohn vorher gefragt, welche Wohnung er denn kaufen würde. Als der, ohne viel zu überlegen “eine renovierte Altbauwohnung im Prenzlauer Berg” zurückgab wurde die Idee schnell abgetan, mit Verweis auf feuchte Keller, alte Bausubstanz und Neubauförderung.

Der Vater verhielt sich damals ganz anders als anonyme Immobilienspekulanten, die da Wohnungen kauften, wohin Kunststudenten zeigten. Der Vater hielt nicht viel vom Immobilienverstand von Kunststudenten.

Der Sohn fügte sich und war gerührt, ob der Vorsorge, denn er verstand, dass der Vater das Beste tat, was er konnte.

Zootiere

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Berlin, Mai 2014

Berlin hat ein neues Einkaufszentrum, direkt neben dem Zoo. Durch eine Panoramascheibe können die Affen im Zoo jetzt den Affen in der Shoppingmall beim Einkaufen zuschauen.

Mauer

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Hannover, Mai. 2014

An anderen Orten ist eine Mauer noch eine ernsthafte Angelegenheit.

Hinter dem Ende der Welt ist nichts

Berlin, Feb. 2014

Auf einem Fest in Berlin bin ich auf einen Oberpfälzer gestoßen. Ich bin auch Oberpfälzer, seit 20 Jahren lebe ich in Berlin. Ich mag die Sprache der Oberpfälzer. Sie löst etwas in mir aus. Aber es ist nicht leicht, einen Oberpfälzer zum sprechen zu bekommen. Es ist noch schwieriger, wenn der Oberpfälzer betrunken ist.

“Wo kommst Du her?” frage ich den Oberpfälzer.

“Wo soll ich schon her sein?”

“Ich meine, wo, aus der Oberpfalz?” frage ich.

“Na, da halt.” sagt er.

“Aus welchem Ort?” frage ich.

“Na, wo soll ich schon her sein – aus Weiden” sagt er.

“Mein Gott”, sage ich, “es gibt auf der Welt schon noch mehr Städte, als Weiden, sogar in der Oberpfalz!”

“Du – “ sagt er, “mach mir keine Angst!”

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