Schon vor einigen Monaten habe ich mit großem Erstaunen bemerkt, dass sich etwas ändert, in den USA. Nun finde ich ständig Hinweise, die diese Beobachtung bestätigen. Amerika ist im Wandel. Es verwandelt sich in ein Land der Zwischentöne. Diese Beobachtung steht im starken Kontrast steht zu dem, was man allgemeinen über die Vereinigte Staaten denkt, denn die letzten Jahrzehnte waren anders geprägt: Amerika galt alls das Land der Extreme.
Der Präsidentschaftswahlkampf, der gerade in den USA um die Nachfolge von Barack Obama stattfindet, wird hierzulande vor allem mit einem Namen in verbunden: Donald Trump. Für Europäer die Bestätigung ihres Klischees vom weißen Amerikaner: ungehobelt, dumm, arrogant, ein Mann der die ganz einfachen Lösungen fordert, ohne sich Gedanken zu machen, über die Schäden, die sie unweigerlich anrichten würden. Trump ist spektakulär. Und weil die Medien nach spektakulärem schnappen, wie der Hund nach dem Stück Wurst vor der Nase, richtet sich so gut wie alle Aufmerksamkeit auf ihn. Wer in Deutschland Nachrichten schaut, könnte meinen, alles dreht sich bei der Präsidentschaftswahl um Donald Trump: Das ist nicht wahr, Donald Trump ist ein Clown und die Tatsache, dass solch ein Clown als der attraktivste Kandidat der Republikanischen Partei wahrgenommen wird, sagt wenig über die Lage in den USA, aber viel über die Lage der Republikaner. Und es sagt viel über die Unfähigkeit der heutigen Medien, Zwischentöne zu transportieren.
Wenn in den USA ernsthaft über Politik gesprochen wird, wird Trump zwar erwähnt, aber lediglich als Kuriosum, bevor man sich schnell wieder den wichtigen Themen zuwendet: Das Problem mit der unerträglichen Ungerechtigkeit der Verteilung des Wohlstands, dem Scheitern der Drogenpolitik und damit verbunden, das Problem der Masseneinkerkerung amerikanischer Bürger (“mass incarceration”), Migration, Energiepolitik, Waffengewalt, die Situation der Schwarzen in den USA.
Obama hat Großes geleistet. Er hat das Feld vorbereitet, für die Diskussionen, die heute in den USA geführt werden. Für die Art, *wie* man heute miteinander redet. Man muss sich vor Augen halten, wie die Situation vor 8 Jahren war, nach Bush. Man muss sich vor Augen halten, welchen unglaublichen Widerständen sich Obama gegenüber sah. Dem Nachfolger Barack Obamas, sei es Hillary Clinton oder sogar Bernie Sanders werden Entscheidungen möglich sein, die vor 8 Jahren noch nicht einmal im Bereich des denkbaren waren.
Wie sich zum Beispiel die Kandidaten beider Parteien zum Thema Drogen äußern ist bemerkenswert: Selbst der republikanische Kandidat Ted Cruz berichtet von seiner Crack-abhängigen Schwester, wie man sie und andere als Opfer einer Epidemie betrachten muss und nicht als Kriminelle, die bestraft werden müssen. Ja, kluge Leute haben das schon vor 15 Jahren gesagt. Aber in den USA nicht öffentlich. Und ein konservativer Kandidat hätte vermutlich nicht einmal in einer privaten Konversation gewagt, einen derartigen Gedanken zu äußern. Er hätte vermutlich nicht einmal gewagt, einen solchen Gedanken zu denken.
Die Stimmung ändert sich und das gibt Menschen die Freiheit, sich öffentlich zu Themen zu äußern, die ihnen schon lange auf der Seele brennen. Es ist wie ein Damm in dem sich viele bisher unsagbare Erkenntnisse aufgestaut haben. Dieser Damm bekommt Risse und bald wird er brechen.
Auch wenn man es in Europa nicht sehen mag, die USA sind bei vielen Themen bereits viel weiter als Europa: Zum Beispiel: Same Sex Marriage (für das es im deutschen noch nicht einmal einen nicht abwertenden Begriff gibt). Eine Firma wie Tesla, die an visionären Lösungen für Probleme unserer Zeit arbeitet, ist in den USA entstanden. Solches Denken gibt es nirgendwo in Europa. Nirgendwo anders in der Welt.
Das Pendel in den USA ist schon lange umgeschwungen. Es bewegt sich bereits mit großer Kraft in Richtung des visionärer Denkens. Selbst wenn wider Erwarten ein republikanischer Kandidat der nächste Präsident der USA wird, er wird diese Bewegung nicht aufhalten können. Er könnte sie lediglich verlangsamen. Das Pendel wir noch viele Jahre weiter schwingen, es ist noch lange nicht am Scheitelpunkt.