Wie es ist, in den Medien zu arbeiten

Dieser Text bezieht sich auf einen Artikel in der Zeit, der fragt, wer da wohl in Vilshofen gegen Corona demonstriert. Ich komme aus der Gegend und ich habe da ein Gefühl.

Der Text erinnert mich an früher. Ich komme aus der Gegend, die in dem Artikel beschrieben ist. Meine Familie ist von dort und sie ist immer noch dort und dort ist für mich mittlerweile weit weg. Seit 30 Jahren lebe ich in Berlin und neuerdings in Berlin und in einem Dorf in Brandenburg, wie es sich für einen Berliner gehört, einen Berliner meiner Art zumindest, der studiert hat und “in den Medien” arbeitet. So scheint es zumindest, wenn man die Zeit oder den Spiegel ließt, aber diese Texte sind ja auch ausnahmslos von Leuten geschrieben, die selbst „in den Medien arbeiten“ und viele von denen, die im Spiegel oder in der Zeit arbeiten leben, wie ich, in Berlin.

Was es bedeutet, “in den Medien” zu arbeiten, hätte ich mir früher, als ich noch dort gelebt habe, nicht recht vorstellen können. „In den Medien arbeiten“ – was machen die da, den ganzen Tag?

Nun hat sich die Zeit nicht nur bei mir, sondern auch dort weitergedreht, so dass ich gar nicht so recht sagen kann, welche Vorstellungen man dort heute von den Medien hat – was zum Beispiel die denken, die im Gegensatz zu mir geblieben sind, aber gleichzeitig mit mir dreißig Jahre älter geworden wurden. Ich habe keine genaue Vorstellung, aber ich habe ein ziemlich genaues Gefühl.

Die Leute dort haben eine vage Vorstellung von dem, wie es „in den Medien” so zugeht. Und weil man sich selbst meist nicht bewusst ist, dass man nur eine vage Vorstellung hat, kommt einem das Bild nicht weniger klar vor, als wenn man selbst „in den Medien“ arbeitet, wie ich es mehr als zwanzig Jahre lang getan habe. Die Vorstellung dort kann eigentlich nur von dem geprägt sein, was man in den Medien über die Medien hört und das ist meist eher kritisch. Medien reflektieren über sich selbst permanent und sie tun das um sich zu verbessern. So verstehe ich das zumindest, wenn ich mich zum Beispiel an die zahllosen Redaktionskonferenzen erinnere, deren interessantester Teil meist die Sendekritik war, die abwechselnd von verschiedenen Kollegen vortragen wurde. Da wurde wenig gelobt und wie der Name schon sagt viel kritisiert. Und mit dieser Haltung treten Sender auch nach aussen auf. Wie sollte es anders sein? Die selben Kollegen waren oft auch ein Gesicht des Senders. In meinem Fall waren das Journalisten, deren schauspielerische Qualitäten eher weniger ausgeprägt waren, ich beobachtete sie ja vor und hinter der Kulisse.

Aus Zuschauersicht müssen die meisten Menschen im Fernsehen wie Schauspieler aussehen, das kann ich mir vorstellen, wenn ich mir den Blick hinter die Kulissen wegdenke. Auch bei uns wurden die Journalisten, bevor sie auf Sendung gingen, von der Garderobe ausgestattet und in der Maske gekämmt und geschminkt. Sie wurden hergerichtet, bevor sie auf die Bühne gingen, kein Wunder dass man sie für Schauspieler hält, wenn man nur den Blick auf die Bühne kennt.

Zwar wurden immer wieder Besuchergruppen durch den Fernsehsender geführt, doch das war natürlich nur der allerkleinste Teil des Publikums und auch dieser Teil bekamen nicht alles zu sehen. Sie hatten keinen ‚access to all areas‘ so wie ich, mit meinem Mitarbeiterausweiss, auf die man Geld für die Kantine laden konnte und die all die hunderte Menschen hatten, die dort arbeiteten. Ich will nicht sagen, dass alles immer nur gut war. Nirgends ist alles immer nur gut. Aber nach allem, was ich gesehen habe würde ich sagen: es ist OK, es ist echt OK. Journalisten kann man generell trauen.

Wahrscheinlich reden die Leute dort, wo ich aufgewachsen bin, gar nicht so anders als die, die in Berlin leben und nicht „in den Medien“ arbeiten. Wobei ich auch das gar nicht so recht beurteilen kann und das liegt daran, dass alle, die ich jahrelang kenne und mir daher erlaube einzuschätzen, wie sie „über die Medien“ denken, mindestens einen langjährigen Freund haben, der in den Medien arbeitet und das bin ich. Und die meisten kennen noch ein paar andere. In den Kreisen in denen ich mich bewege arbeiten viele Menschen „in den Medien“. Es ist nichts besonderes. Das sind gute Leute, so wie mein Nachbar in Brandenburg, der ist Mauerer. Und auch wenn wir uns nicht ganz einig darüber sind, wie hoch die Hecke zwischen unseren Grundstücken sein soll und obwohl ich geimpft bin und er nicht, Uwe ist ein guter Typ und wenn ich seine Hilfe brauche, hilft er mir. Und ich helfe ihm auch.

Vielleicht sollten wir uns manchmal daran erinnern – hey, wir sind alle vom selben Dorf.