Kunstfilm vs. Dokumentarfilm

EMAIL-KONVERSATION MIT MICHAEL HOHL:

**Was ist der Unterschied von Kunst-Film zu Dokumentarfilm? Im Dokumentarfilm wird der Anspruch erhoben ‘eine’ objektive Realitaet zu zeigen. Im Kunstfilm wird ganz bewusst der Anspruch erhoben die subjektive Realitaet des Kuenstlers zu zeigen.
Wir beide wissen aber das da kein grosser Unterschied ist, ausser das eben jeweils ein Anspruch erhoben wird. Der Dokumentarfilm hat Fakten. Der Kunstfilm hat …. (was?).**

Ich kenne den Begriff ‘Kunstfilm’ als solchen nicht. Aber ich glaube, wir wissen was gemeint ist.

Du hast Recht, Film ist Film, da ist nicht viel Unterschied. Es ist die Haltung die den Unterschied macht. Zu sagen “ich sehe” vs. zu behaupten “es ist”.

Ich glaube sogar, dass man, für die (moderne) Kunst als solche sprechen kann, wenn man sagt: Sie bekennt sich zur Subjektivität und kann damit radikalere und im besten Fall ‘klarere’ Blickwinken erschliessen. Im schlechten Fall (& vermutlich meistens) sind die Erkenntnisse belanglos und banal. Das ist der Preis.

Beim Dokumentarfilm schneidet man alles raus, was nur nach ‘belanglos’ riecht. In der Hoffnung, dass das Relevante übrig bleibt. Doch was ist ‘relevant’ oder ‘belanglos’? – Das wird erst die Zeit zeigen. Der Preis ist, dass man in der Beurteilung von dem was ‘belanglos’ und was ‘wichtig’ ist, völlig in dem Denken der Zeit (der Entstehung des Films) gefangen ist. Daher driften die Dokumentarfilme (Filme) mit der Zeit aus der Zeit, gelungenen Kunst(filmen) passiert das viel weniger.

**Vielleicht ist ja Korskow auch wieder nur eine subjektive methode des Dokumentarfilms und wir koennen garnicht ‘raus’ aus dem subjektiven Autorendasein? (Ausser wir machen filme mit wahllos ausgewaehlten videos von Überwachungskameras).**

Korsakow ist subjektiv! Es kann auch gar keine Objektivität geben. Was sollte das sein? Das Auge Gottes? Wir können uns selbst und das was uns umgibt nur aus unseren Augen sehen.

**Dann ist da noch die Frage:
Wo wollen wir hin?**

Weitere Formen zu finden und zu erforschen, mit denen wir die Welt sehen und diskutieren können.

**Was ist der Anspruch?**

Wir wollen das Wissen um die Welt die uns umgibt erweitern.

**Was macht das neue Format anders obwohl es wie das alte wahrgenommen werden kann?**

Film vs. Korsakow-film?

Film kommuniziert lineare Kausalität. Korsakow kommuniziert mannigfaltige Bezüge.

**Warum brauchen wir neue Erzaehlweisen?**

Zur Erweiterung unseres Toolsets.

**Was ist da anders beim Kunstfilm? Wie kann man das nutzen? Vielleicht machen die das ja schon lange, aber eben nur linear als ungewolltes resultat technischer Grenzen?**

Kunstfilm beschäftigt sich schon lange mit dem Problem, dass linearerer Film eine immanente Wahrheit gebiert (Objektivität behauptet). Kunstfilm arbeitet somit gegen die Form des Films an. Der Ansatz ist gut: Die Subjektivität des Blinkwinkels nicht verschleiern zu wollen, aber Kunstfilm scheitert (meist) an der Form des linearen.

Korsakow behauptet (aus der Form heraus) Subjektivität. Damit kann der Betrachter nach einem subjektiven oder objektiven Betrachtungswinken streben, er kann beides mischen, ohne Gefahr zu laufen “objektiv sein zu wollen”, und damit im gleichen Umfang aus der Zeit zu laufen, wie der lineare Film.

Film generiert Aussagen. Korsakow generiert Fragen.

Kunstfilm versucht Film zu benutzen, Fragen zu generieren. Ich will gar nicht sagen, dass das immer scheitert. Es ist nur wahnsinnig mühselig, weil es so sehr gegen die Form ist.